Jürgen Becker werd geboren op 10 juli 1932 in Keulen. Tot 1950 leefde hij met zijn ouders in Thüringen en in de Harz. Daarna keerde hij terug naar Keulen. Na een afgebroken studie en verschillende bezigheden (vanaf 1959 voor de WDR) werkte hij van 1964 tot 1966 als lector bij uitgeverij Rowohlt in Hamburg. In 1973 nam hij de leiding op zich van de Suhrkamp-Theater-Verlag en in 1974 de leiding van de hoorspelredactie van de Deutschlandfunk. In 1988 was hij Writer-in-Residence aan de universiteit van Warwick, England. Zijn eerste prozaboek “Felder” baarde in 1964 veel opzien. Met het vervolg daarvan vestigde hij zijn naam als schrijver van experimentele literatuur. De “Wende” en de hereniging van Duitsland waren van beslissende invloed op het werk van Jürgen Becker. De herontdekking van het landschap tussen Elbe en Oder motiveerden tot het schrijven van dichtbundels en vooral van de roman “Aus der Geschichte der Trennungen”. Becker is lid van de Akademie der Künste Berlin, de Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, de Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt en van het PEN-Zentrum der Bundesrepublik Deutschland. Sinds 1968 woont en werkt Becker in de omgeving van Keulen.
Werk: O.a. Das Ende der Landschaftsmalerei (1974), Erzähl mir nichts vom Krieg (1977), Fenster und Stimmen (1982), Das Gedicht von der wiedervereinigten Landschaft (1988), Korrespondenzen mit Landschaft (1996), Journal der Wiederholung (1999), Häuser und Häuser (2002).
Beispielsweise am Wannsee
Natürlich, diese Seerosen, jederzeit
ein zitierbares Ambiente; meine Erziehung war das
nicht, aber auch später haben wir
drüber reden können, denk an Erdbeerfelder,
später gelang viel mehr.
Plötzlich hat auch eine Schilfgruppe Bedeutung,
ein Büschel am Seeufer, über das wir
(bei aller Bedeutung) nicht sprechen wollen. Neutral
bleibt kein Bild; ein Bild gibt weiter
jeder Spion, da nützt unser Schweigen nichts.
Dazu kommt ein Zufall. Im Vorbeigehn
eine Telefonzelle, in der jemand Münzen
nachschiebt, solange es Münzen gibt. Wen
wolltest du, außerhalb, sprechen; oder hast du
gewartet, gezählt, phantasiert?
Nochmal, Seeufer unten, und zwischendurch
Wind, Bewegung im Schilf, konnten wir sehen
und spürten nichts, einige Meter entfernt
und sichtbar für alle. Für wen, alle gab es natürlich
nicht; wer malt denn Seerosen heute?
Früher, verstrickt in irgendeins
der Systeme, hätten wir nicht mehr gelebt;
begreif das beispielsweise am Wannsee. Aber
so leicht geht das auch nicht, einfach
im Stil der Geschichte, nachher gemacht.
Nachher, oder ich sage: zunächst: das wird
keine Zukunft, sind Seerosenbilder; besser
das Kleingeld, Nachschieben, wer spricht schon
mit wem, wir alle sind in der Nähe.
Morgenmagazin
Motorsägen; atlantisches Tief. Schon früh
die Sirene für die Freiwillige Feuerwehr. Zwei Frauen
gingen auf und ab im Korridor, und ich fand nicht
den Weg aus dem Badezimmer ins Freie.
Eine Szenenfolge ohne erkennbaren Anfang, oder ich hatte
den Anfang verpaßt. Der Atem ging ruhig, das Land
vor den Fenstern stieg langsam auf
zu den Häfen des Schnees. Eine der Frauen blieb stehen,
als sie hörte, es wird geklopft in die Tür.
Es war nicht das Wetter, um bis mittags
auf den Dachdecker zu warten. Die andere Frau wusch sich
die Haare, genauer gesagt, sie war weitergegangen
und stand jetzt auf der Wiese im Regen.
Da lag auch der Kirschbaum Die Pumpe
im Keller hörte nicht auf Es schneite schon
wieder; im Mannschaftswagen saß alleine
der Fahrer und telefonierte. Die Schäden kann man
nicht sehen, und die Post kommt neuerdings so spät.
[Schlaf der Geschichte. Die Karten Ansichten und Prospekte ]
Schlaf der Geschichte. Die Karten Ansichten und Prospekte
waren vergriffen, oder es waren Fälschungen, von offizieller Seite
in Umlauf gebracht.
Erinnerungen? Erinnerungen
an Familienangelegenheiten, die über die Hintertür
an die Öffentlichkeit kamen; erst später spielten im Sandkasten
die nationalen Interessen mit.
Lange Zeit wurden die Rollen
nicht mehr besetzt, die vor und hinter den Kulissen
zu sprechen, etwas zu bewegen hatten, das die Leere
mit Konfliktstoff, Manövern, Verhandlungen, mit Personen
belebte, die sich nach allen Richtungen verneigten, wenn
wieder ein Krieg zu Ende war –
Gesichtslose Delegationen, Parkplätze
hinter den Hügeln. Im ‘Winter werden die grünen Vitrinen
geschlossen. Es kommt auf die Momente des Alleinseins an,
die hinter der Biegung der Allee einen erwarten: es ist
wie eine plötzliche Begegnung
– du weißt, nach dem Aufwachen
hört alles auf, fängt alles an, das Suchen
nach richtiger Reihenfolge, das Mitmachen und Spielen gegen die Regeln.
Jürgen Becker (Keulen,10 juli 1932)