De Duits-Nederlandse schrijver Konrad Merz werd geboren op 2 april 1908 in Berlijn als Kurt Lehmann. Hij groeide op in een arm Joods kleermakersgezin en moest al op vijftienjarige leeftijd werken. Hij deed eindexamen op het avondgymnasium en begon aan een studie rechten. Nadat de joden ook van de universiteiten waren verdreven, emigreerde hij in 1934 naar Nederland. Hij verdiende onder andere zijn levensonderhoud als tuinman, terwijl hij ook artikelen voor kranten schreef. In Nederland nam hij de naam Konrad Merz aan. Zijn dagboek roman “Ein Mensch fällt aus Deutschland” kwam in 1936 uit bij de gerenommeerde Exilverlag Querido in Amsterdam. Menno ter Braak maakte hem bekend in Nederland. Zijn tweede roman “Generation ohne Väter” ging in die woelige oorlogsjaren verloren . Met behulp van Nederlandse vrienden kon Merz tot het einde van de oorlog onderduiken. Na de oorlog volgde Merz een opleiding tot masseur en fysiotherapeut, trouwde en vestigde zich in Purmerend. Naast zijn succesvolle praktijk begon hij in de jaren zeventig weer autobiografisch materiaal en satires te publiceren. Zijn verloren gewaandeb roman “Generation ohne Väter” werd kort voor zijn dood in 1999 gepubliceerd. In 2007 verwierf de Deutsche Literaturarchiv Marbach de nalatenschap van Konrad Merz. Deze bevat de manuscripten en dagboeken, en talrijke correspondentie, o. a. met Fritz Helmut Landshoff, Horst Bienek, Walter Höllerer en Albert Vigoleis Thelen. Merz’s dagboek is te zien in de permanente tentoonstelling in het Literatuurmuseum der Moderne in Marbach.
Uit: Ein Mensch fällt aus Deutschland
“Sicher schmeckt Dir jede Stunde des Festes nach Salz, sicher wird Deine Angst um mich Dir den Schlaf zerhackt haben. Du bist meine Mutter, und ich werde ein Riß bleiben müssen durch Deine Stille. Verzeih! Ich habe meinem Freund geholfen durch die Gitter zu kriechen, Gitter, die sich um ihn legen, weil er ist, der er ist. Hätte ich ihn verlassen sollen, als man ihn durch den Frost peitschte? Hätte ich sagen sollen: meine Sprechstunde ist geschlossen für dich, du wirst zwar verrecken, aber ich muß zu meiner Mutter hinter den Ofen? Hätte ich in die Gegend solcher Feigheiten laufen können? »Er ist doch schließlich kein Bruder von dir,« sagte Deine Schwester einmal, als ich aus der Familie rutschte zu Heini. Kann ein Bruder mir denn nur Bruder sein, wenn er die gleiche Tante hat? Du hast so oft den Kopf geschüttelt über mich, weil wir so ganz anders sind. Warum sind wir denn so ganz anders? Ich weiß nicht, wann ich aus meiner Wache über Heini scheiden werde, ich weiß jetzt keinen Morgen, heute aber sollst Du wenigstens auf diesem Brief in meine Gegend kommen, etwas Luft atmen um Deinen Sohn. Wie oft wolltest Du, ich möge sprechen. Dann sah ich Dich an und schwieg. Nun aber kann ich Dich nicht ansehen … Wer bin denn ich! Das ist doch ein ganz antiquarisches Raubtierfell. Wo sind wir damit hingekommen? Wer sind wir! Denn das sind wir erstens und zweitens und drittens: wir!, eine betrogene und bestohlene Jugend, der Kater, die aufgespießten Rollmöpse nach dem Champagnermahl unserer Vorfahren, aufgespießt hat man uns in Stempelämtern und Arbeitsdienstlägern, denn man will uns nicht ranlassen: wir sind gefährlich wie schlechtes Gewissen. Wie sehen denn die Raten aus, in denen uns das Leben bisher geliefert wurde. Am Anfang lockte man uns in die Welt: »Kommt nur«, sagte man und zog den Vorhang auf, »seht, unser Kaiser hat ein blühendes Geschäft, und ihr werdet einen Schnurrbart tragen, so schön wie seiner ist, für eure Laufbahn sind die Schienen selbstverständlich schon gelegt, ihr werdet studieren und dann natürlich ein Amt erhalten und eine Frau dazu und die Gehaltstüte pünktlich und die Kinderbeilage wird euch den Schmerbauch entlangrutschen, und schließlich werdet ihr eure Glatze in Pension einlegen, und der Dank des Vaterlandes wird euch gewiß sein.« Und so konntet ihr denn unsere »glückliche Geburt hocherfreut« anzeigen. Wir kamen auf die Welt, und nach uns kam »hocherfreut« schon der Krieg. Und dann durften wir bald nach 50 Gramm Butter anstehen und nach »Morgentranksuppe« aufstoßen und zu einer Siegesfeier in die Aula und in die Kälteferien nach Hause zu den Kohlrüben. Und dann war wieder ein Sieg errungen und wieder eine Schulfeier und dann kam der Brief: »Vater gefallen!« und dann war wieder eine Schlacht gewonnen und der ganze Krieg selbstverständlich auch.
Konrad Merz (2 april 1908 – 3 december 1999)