Caroline Emcke

 

De Duitse schrijfster en journaliste Caroline Emcke werd geboren op 18 augustus 1967 in Mülheim an der Ruhr als dochter van een Argentijnse mopeder en een Duitse vader. Zij groeide op in Wuppertal en Hamburg en deed in 1986 eindexamen gymnasium. Emcke studeerde vervolgens filosofie, politicologie en geschiedenis in Frankfurt am Main, aan de London School of Economics en aan de Harvard University. Zij promoveerde in Frankfurt bij Axel Honneth in de filosofie met het werk “Kollektive Identitäten: sozialphilosophische Grundlagen”. Van 1998 tot 2006 werkte ze in de redactie buitenland van Der Spiegel en schreef reportages uit veel crisisgebieden. 2003/2004 doceerde Emcke als gastdocent politieke theorie aan de Yale University. Sinds 2007 is zij freelance journalist geweest, a. voor de ZEIT en de Süddeutsche Zeitung. Zij publiceerde op onderwerpen als globalisering, theorieën van geweld, getuigenis, fotografie en culturele identiteiten en geeft regelmatig seminars en lezingen. In 2008 verscheen “Stumme Gewalt” over voormalig CEO van de Deutsche Bank Alfred Herrhausen, die door de Rote Armee Fraktion in een moordaanslag werd gedood. Emcke pleit daarin voor een sociale dialoog. Zij ontving de Theodor-Wolff-prijs voor de tekst. In het autobiografische boek “Wie wir begehren” (2013) beschrijft Emcke de ontdekking van haar homoseksualiteit en bespreekt zij ook de sociale uitsluiting als gevolg van haar coming out. Van 2014 tot 2016 behoorde ze tot de eerste jury van de Beierse Boekprijs. Daarnaast is zij lid van het PEN-centrum in Duitsland. Ook ondersteunt zij het Handvest van de Digitale Grondrechten van de Europese Unie, die eind november 2016 werd gepubliceerd. In 2016 kreeg ze de Vredeprijs van de Duitse Boekhandel.

Uit: Wie wir begehren

“Warum gerade wir ausgewählt wurden, weiß ich nicht. Die anderen Schüler, vor allem die Jungen, standen um uns herum und stichelten. Vielleicht waren es außer mir auch nur Jungen. Das wäre mir nicht aufgefallen. Es war eine Zeit, in der die Unterschiede noch nicht besonders relevant waren.
Oder zumindest für mich nicht. Sie lauerten wie ein Rudel Wölfe, im unförmigen Kreis, ohne klare Ordnung. Linkisch und bissig wagte sich mal einer, mal ein anderer vor und schubste uns, Daniel oder mich, mit einem Schlag gegen die Schulter: »Na los!«
Wir standen am Rand des lehmigen Fussballfeldes, das eigentlich kein richtiges Fussballfeld war, sondern nur eine größere Lichtung im waldigen Hügel, gleich neben dem Schulgebäude. Heutzutage gibt es das vermutlich gar nicht mehr, einen nichtasphaltierten Hof. Damals war der Platz etwas verwildert, neben dem eigentlichen Hof mit den Bänken und Geländern und dem ewig zugigen, grauen Toilettenhäuschen. Es gab zwei Tore ohne Netze und ein Feld ohne Linien.
»Na los!«, sie waren erschrocken über den eigenen Mut, ängstlich vor der eigenen Feigheit, immer darauf bedacht, was die anderen von ihnen denken könnten. »Na los, prügelt euch.« Sie schnappten und wichen wieder zurück, jeder beobachtete jeden, die schmächtigen Körper etwas gebeugt, den Kopf tief, etwas zu aggressiv, etwas zu devot, immer auf der Hut, ob sich die Gewalt, die sie gerade auf uns lenken wollten, im nächsten Moment gegen sie selbst kehren könnte, eine Meute aus Kindern.
Es war der erste Schultag am Gymnasium. Der Tag hatte in der Turnhalle begonnen. Warum die Begrüßungszeremonie der Neuankömmlinge und die Vorstellung der Klassenlehrer für die drei fünften Klassen nicht in der Aula stattfanden, weiß ich nicht. Wir saßen auf hölzernen Bänken neben unseren Müttern oder Vätern und warteten darauf, welcher Klasse wir zugeordnet würden. Was wir von den Lehrern zu erwarten hatten, ob sie beliebt oder unbeliebt waren, konnten wir heraushören am klatschenden Kommentar der älteren Schüler, die der Veranstaltung aus Langeweile oder Gehässigkeit beiwohnten. Wenn ich es heute recht bedenke, muss es sich für die drei Lehrer, die da am Ende der Halle unter dem Basketball-Korb standen, entsetzlich angefühlt haben. Wie ihre Namen aufgerufen wurden, sie mit lauten Pfiffen oder allzu leisem Applaus bedacht wurden und sie so, schon im Moment der Ernennung zum Klassenlehrer, vor ihren neuen Schülern jede Autorität verloren.“

 


Caroline Emcke (Mülheim an der Ruhr, 18 augustus 1967)