Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2008 voor Anselm Kiefer
Aan de Duitse schilder en beeldhouwer Anselm Kiefer werd gisteren in de Frankfurter Paulskerk de Friedenspreis des Deutschen Buchhandels uitgereikt. Anselm Kiefer werd geboren in Donaueschingen op 8 maart 1945. In zijn werk gebruikt hij naast verf ook materialen als stro, zand, glas, as, beton, roestig ijzer, klei, haar en lood. Het werk zit vol verwijzingen naar historische gebeurtenissen en figuren, filosofie, en wetenschappelijke theorieën. Oorlog, vernietiging, verval en destructie zijn belangrijke thema’s. Kiefer groeide vanaf 1951 op in Ottersdorf en hij ging naar school in Rastatt. Hij studeerde rechten, literatuur en Romaanse taalwetenschappen aan de Universiteit van Freiburg. Vanaf 1966 studeerde hij aan kunstacademies in Freiburg, Karlsruhe en Düsseldorf, en in 1969 werd hij in de kunstwereld bekend door de fotoreeks “Besetzungen”, een serie zelfportretten, gemaakt op beladen locaties in Frankrijk, Zwitserland en Italië, waarop hij de Hitlergroet bracht. Dit als commentaar op de situatie in het naoorlogse Duitsland, waar over het fascisme voornamelijk werd gezwegen. Ook op zijn schilderijen toonde hij betrokkenheid bij de Duitse problematiek, door bijvoorbeeld de verschrikkingen van WO II tot onderwerp te nemen. Tussen 1970 en 1972 studeerde Kiefer bij Joseph Beuys aan de kunstacademie in Düsseldorf. In 1976 verbleef hij in de Villa Massimo in Rome. Vanaf 1993 woont en werkt hij in het Franse Barjac waar hij een verlaten industrieterrein heeft omgetoverd tot een 35 hectare groot atelier dat hij La Ribaute heeft gedoopt. In 2008 verhuisde hij naar Croissy-Beaubourg bij Parijs.
Anselm Kiefer, Die Buchstaben, 2012
Uit: Die Buchstaben
„In der jüdischen Vorstellung sind die Buchstaben des Alphabets heilig. Wie auch immer man sie anordnet, sie ergeben einen Sinn, selbst wenn sie zufällig zusammengestellt werden.
Man kann sie auf den Boden fallen lassen und die so erreichte, uns absurd erscheinende Konstellation wird später einmal ihren Sinn offenbaren. Vielleicht wird es unendlich lange dauern, bis einmal Menschen geboren werden, die fähig sind, diesen zu erschließen – so wie auch die Zahl der möglichen Kombinationen der Buchstaben eine Unendliche ist.
Es ist ein Zwang zum Sinn, der mich an eine Gedichtzeile von Paul Celan denken lässt: »Wir wollten zu dir hin dunkeln, aber es herrschte Lichtzwang.«
Das erinnert in ganz anderer, umgekehrter Weise an die Verzweiflung der Mathematiker, die die Zahl Pi (mit der man die Fläche eines Kreises errechnen kann) darstellen wollten. Diese ist, wie viele Stellen hinter dem Komma man auch errechnet, nie eine Genaue; sie ist eine bis ins Unendliche Ausdehnbare und wird nie genau sein. Es gibt Mathematiker, die darüber den Verstand verloren und Selbstmord begangen haben.
In einem alten Buch heißt es, dass ein Buchstabe aus dem Alphabet verloren gegangen sei und wenn er wiedergefunden würde, würde sich alles Leid in Freude, alles Böse in Gutes verwandeln. Wir, die Künstler, suchen diesen Buchstaben, ohne ihn je finden zu können, denn es heißt auch: »Wer findet, hat nicht gesucht.« Bei jedem Bild, das ich anfange, das ich weitertreibe, gibt es so viele Bilder, die auf dem Weg zum fertigen Werk – aber wann ist es je fertig? – verlorengehen. Es ist dieselbe Verzweiflung wie die des Mathematikers bei der genauen Erstellung der Zahl Pi oder wie die eines Künstlers, der nie sein Bild vollenden kann, der nie den verlorenen Buchstaben findet.
Bei den alten Setzmaschinen gibt es einen Container mit flüssigem Blei, dem Material, aus dem die Buchstaben geformt werden, die zuvor der Setzer in die Tastatur getippt hat. Es sind die drei Schritte der Alchemie: Dissolutio, Pureficatio, Coagulatio. Auf den Seiten der Bücher konnte man dann mit dem Finger die Buchstaben erfühlen. Diese sensuelle, diese erotische Erfahrung ist heute verlorengegangen. Es ist nur noch der Sehsinn geblieben, die Augen, die – im Unterschied zum Ohr – eine aggressive Komponente enthalten.
Auf dem Boden der Ausstellungshalle sind die Buchstaben verstreut, und man kann sehen, wenn man sich darauf einlässt, dass einer fehlt. So wie immerzu etwas fehlt, wie nur der, der den Mangel spürt, schaffen kann.“
Anselm Kiefer (Donaueschingen, 8 maart 1945)