Robert Seethaler

De Oostenrijkse schrijver en acteur Robert Seethaler werd geboren op 7 augustus 1966 in Wenen. Seethaler groeide op in een arbeidersgezin in het tiende district van Wenen. Zijn moeder was secretaresse en zijn vader slotenmaker en houtsnijder. Vanwege een aangeboren oogafwijking (minus 17 dioptrieën) onderging hij meerdere oogoperaties en ging hij naar een basisschool voor blinden en slechtzienden. Seethaler bezocht toneelschool van het Weense Volkstheater en nam deel aan tal van producties voor film en televisie, evenals in theaters in Wenen, Berlijn, Stuttgart en Hamburg. Hij is bij het televisiepubliek bekend als “Dr. Kneissler” uit de serie “Ein starkes Team”. In 2004 bezocht Robert Seethaler de scenarioworkshop in München, waar zijn debuutscenario “Heartbreakin’”, dat hij daar ontwikkelde, werd bekroond met de Tankred Dorst-prijs. In hetzelfde jaar begon Seethalers literaire werk met de roman “Die Biene und der Kurt”, gebaseerd op “Heartbreakin’” . Dit werd met tussenpozen van twee jaar gevolgd door de romans “Die weiteren Aussichten”, “HJetzt wirds ernst” en “Der Trafikant (Kein & Aber)” evenals “Ein ganzes Leben”, “Das Feld” en “Der letzte Satz”. In 2016 stond Seethalers vijfde roman, “Ein ganzes Leben” op de shortlist voor de International Booker Prize 2016.

Uit: Ein ganzes Leben

„An einem Februarmorgen des Jahres neunzehnhundertdreiunddreißig hob Andreas Egger den ster-
benden Ziegenhirten Johannes Kalischka, der von den Talbewohnern nur der Hörnerhannes gerufen wurde, von seinem stark durchfeuchteten und etwas säuerlich riechenden Strohsack, um ihn über den drei Kilometer langen und unter einer dicken Schneeschicht begrabenen Bergpfad ins Dorf hinunterzutragen.
Er hatte den Hörnerhannes aus einer seltsamen Ahnung heraus in seiner Hütte aufgesucht und zusammengekrümmt unter einem Berg von alten Ziegenfellen hinter dem längst erloschenen Ofen gefunden. Abgemagert bis auf die Knochen und gespensterbleich starrte er ihm aus der Dunkelheit entgegen und Egger wusste, dass ihm der Tod bereits hinter der Stirn hockte. Er nahm ihn wie ein Kind auf beide Arme und setzte ihn behutsam auf die mit trockenem Moos ausgelegte Holzkraxe, mit der der Hörnerhannes sein Leben lang das Brennholz und die verletzten Ziegen über die Hänge gebuckelt hatte. Er wickelte einen Viehstrick um seinen Körper, band ihn an das Gestell und zog die Knoten so fest, dass es knackte im Holz. Als er ihn fragte, ob er Schmerzen habe, schüttelte der Hörnerhannes den Kopf und verzog seinen Mund zu einem Grinsen, doch Egger wusste, dass er log.
Die ersten Wochen des Jahres waren ungewöhnlich warm gewesen. In den Tälern war der Schnee geschmolzen und im Dorf war das beständige Tropfen und Plätschern des Tauwassers zu hören. Seit einigen Tagen aber war es wieder eiskalt und der Schnee fiel so unaufhörlich und dicht vom Himmel, dass er die Landschaft mit seiner weichen Allgegenwärtigkeit zu schlucken und alles Leben und jedes Geräusch zu ersticken schien. Auf den ersten paar hundert Metern redete Egger nicht mit dem
zittrigen Mann auf seinem Rücken. Er hatte genug damit zu tun, auf den Weg zu achten, der sich vor ihm in steilen Serpentinen den Berg hinunterwand und den er im Schneetreiben nicht viel mehr als erahnen konnte. Hin und wieder spürte er, wie sich der Hörnerhannes regte.
»Stirb mir jetzt bloß nicht weg«, sagte er laut vor sich hin, ohne eine Antwort zu erwarten. Doch nachdem er fast eine halbe Stunde hinter sich gebracht hatte, immer nur das eigene Keuchen in den Ohren, kam die Antwort von hinten: »Sterben wär nicht das Schlechteste.«

»Aber nicht auf meinem Buckel!«, sagte Egger und hielt an, um die Lederriemen auf den Schultern zurechtzurücken. Für einen Augenblick horchte er in den lautlos fallenden Schnee hinaus. Die Stille war vollkommen. Es war das Schweigen der Berge, das er so gut kannte und das doch immer noch imstande war, sein Herz mit Angst zu füllen. »Auf meinem Buckel nicht«, wiederholte er und ging weiter. Nach jeder Wegkehre schien der Schnee noch dichter zu fallen, unablässig, weich und ohne jedes Geräusch. Hinten bewegte sich der Hörnerhannes immer seltener, bis er sich schließlich gar nicht mehr rührte und Egger schon mit dem Schlimmsten rechnete.“

Robert Seethaler (Wenen, 7 augustus 1966)

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