María Cecilia Barbetta

De Duitstalige schrijfster María Cecilia Barbetta werd geboren op 8 juli 1972 in Buenos Aires. Barbetta volgde de Duitse school in Buenos Aires en studeerde toen Duits als vreemde taal. Ze kwam in 1996 met een DAAD-beurs naar Berlijn en promoveerde in 2000. Daarna werkte ze vijf jaar als docente Spaans aan de universiteit van Frankfurt aan de Oder. Ze is sinds 2005 freelance auteur, en in 2007 ontving ze de Alfred-Döblin-Stipendium van de Academie voor de Kunsten en nam ze deel aan de schrijvers-workshop proza van het Literarische Colloquiums Berlin. In 2008 verscheen haar eerste roman “Änderungsschneiderei Los Milagros”, geschreven in het Duits. Haar tweede roman “Nachtleuchten” werd door de literaire kritiek zeer goed ontvangen. Sinds 2011 is Barbetta lid van het PEN-centrum Duitsland.

Uit: Nachtleuchten

“Elvio Gianelli tastete die Taschen seines Regenmantels nach Streichhölzern ab. Als er mit einer brennenden Zigarette im Mundwinkel das Haus verließ, ertönten die Kirchenglocken, die das Erwachen seiner Tochter einläuteten. Noch ahnte Teresa nichts von den Veränderungen, die ihnen bevorstanden, doch als der Vater sich wenig später mit der üblichen Sonntagszeitung und einer Kinderzeitschrift – einem handfesten Beweis seines schlechten Gewissens – zu ihnen gesellte, war sie über die anderen Umstände bereits unterrichtet. Anstatt sich beim Frühstück wie sonst über die Wirren der Politik auszulassen oder sich mit dem Geisterfahrer zu beschäftigen, der am Vortag, dem 9. März 1974, auf einer der Hauptverkehrsadern von Buenos Aires für chaotische Zustände gesorgt hatte, wollte Elvio Gianelli von seiner Tochter hören, ob sie die Neuigkeit erwartet habe und ob sie sich freue. Teresa antwortete mit Nein und Ja, während sie den Gimmick vom Cover ihres Magazins Anteojito zu lösen versuchte. »Aber nicht doch«, platzte sie heraus. Sie war weiß Gott unvorsichtig gewesen, das Papier war eingerissen, die Hälfte der Buchstaben auf der glänzenden Titelseite waren von der Bildfläche verschwunden, so dass es von nun an nur noch Ojito heißen würde: Achtung. Unfug, dachte Teresa verärgert. Als nützte es etwas, im Nachhinein mit einer Warnung behelligt zu werden. Ojito bedeutete auch Äuglein, doch die halfen nicht immer weiter. Der Vater, neuerdings beim Lesen auf eine Brille angewiesen, hatte seinem Kind vorsorglich eine Sehhilfe mitgebracht. Teresa befreite das Vergrößerungsglas vom letzten Tesastreifen wie zuvor ihre Augen vom Schlaf, als sie nicht hätte sagen können, ob der Schatten, der in Zeitlupe den Schlüsselbund von der Wand abgehängt und die Eingangstür hinter sich geschlossen hatte, Bestandteil ihrer Träume gewesen war oder nicht. Die Mutter war ebenfalls noch nicht aufgestanden, als sie mit belegter Stimme »Teresa« gerufen hatte, »Liebling, bist du schon wach?« Wache hatte die Tochter wie so oft in der Nacht gehalten. Mit ihrer kleinen Statuette in der Hand hatte sie an der Schlafzimmertür der Erwachsenen gestanden und das Ohr so lang dagegen gepresst, bis sie feststellen konnte, dass Frieden herrschte und sie nicht einschreiten musste. Jetzt ruhte sie etwas beduselt auf ihrem Ausziehsofa im Wohnzimmer, sie streckte und reckte sich, bevor sie beherzt die Decke zurückschlug. Sie schlüpfte in ihre Pantoffeln, stolperte über die Riemchenschuhe und ein paar Schritte weiter über die Schultasche. Jeden Abend ließ der Vater sämtliche Jalousien herab. Jalousie ist Französisch und bedeutet Eifersucht, wusste Teresa. Durch die Jalousien hindurch konnte die Tochter beobachten, wie verwandelt der Vater wirkte, sobald er sich morgens aus dem Familienhaus stahl.”

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María Cecilia Barbetta (Buenos Aires, 8 juli 1972)

 

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