Arno Surminski, Ernst-Jügen Dreyer, Maren Winter, Edgar Guest

De Duitse schrijver Arno Surminski werd geboren op 20 augustus 1934 in Jäglack in Oostpruisen. Zie ook mijn blog van 20 augustus 2007 en ook mijn blog van 20 augustus 2008. en ook mijn blog van 20 augustus 2009 en ook mijn blog van 20 augustus 2010.

Uit: Irina oder die Uhr

 

“Kennen Sie Leningrad? Nicht das zerschossene, belagerte, ausgehungerte Leningrad, in dem die Kinder von Ratten und Mäusen lebten. Ich meine das heitere Leningrad mit dem geschäftigen Newski-Prospekt1 und den geheilten Wunden. Die Endstation gemütlicher Bummelfahrten über die Ostsee. Sonnenuntergänge über der Newa 2.

Da fuhr im heißen Sommer 75 ein Reisebus durch die nordische Stadt, erträglich klimatisiert, grünlich mattierte Fensterscheiben. Zwanzig, vielleicht auch fünfundzwanzig Menschen, die nur mit Mühe ihren westlichen Wohlstand verbergen konnten, fuhren aus, um einen Schauer Oktoberrevolution über ihren Rücken zu jagen.

Neben dem Fahrer stand Irina, Studentin der Architektur. In ihrer Freizeit führte sie Leningrad vor. Ein Mädchen von natürlicher Frische. Ein Kranz blonder Haare, nicht schön, aber auch nicht hässlich. Irina war stolz auf ihre Stadt und die Heldengeschichte Leningrads. Solche Menschen braucht man zum Vorführen. 

>Drüben liegt der Kreuzer Aurora, seine Kanonen gaben 1917 das Signal zur Revolution.< Irina sprach in eckigem Schuldeutsch und gab ihre private Erläuterung des schönen Namens: >Aurora hieß die römische Göttin der Morgenröte.

Und das, was Sie hier sehen, war die Morgenröte der großen Weltrevolution.<

Na also.

Die Reisenden blickten in das träge fließende Wasser der Newa, in dem die Morgenröte für alle Ewigkeiten vor Anker gegangen war.

Nur die Frau in der zweiten Reihe nicht. Sie war weder vom Sturm auf das Winterpalais des Zaren noch von der Kanonade des Kreuzers Aurora zu beeindrucken. Sie starrte Irina an, als wäre sie eine alte Bekannte, deren Name in Vergessenheit geraten ist, die man sicher zu kennen glaubt, aber doch nicht erkennen kann.

>Vor dem Besuch der Eremitage4 machen wir einen Abstecher zum Ehrenfriedhof für die Opfer der Belagerung<, sprach Irina über die Köpfe hinweg. >Da haben wir Zeit für eine Gedenkminute.< Oh, Gedenkminuten sind immer gut. Die Frau in der zweiten Reihe nahm das Wort auf, begann zu denken, dachte immer weiter zurück … von wegen Gedenkminuten, das wurden Jahre und Jahrzehnte.

>Für den Skythenschatz haben wir nur eine Viertelstunde.<

Das war Irina, die ihnen den Weg wies, die ihre Gruppe zusammenhielt, die alles wusste … “

 

 


Arno Surminski (Jäglack, 20 augustus 1934)

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