Onafhankelijk van geboortedata
De Duitse schrijver Alyosha Brell werd geboren in 1980 in Wesel als zoon van een balletleraar en een operazangeres. De eerste 18 jaar van zijn leven bracht hij door op een boerderij in de buurt van Goch. Na zijn eindexamen verhuisde hij naar Berlijn om filosofie en Duitse literatuur te studeren, wat hij echter al snel voor gezien hield. In plaats daarvan werkte hij meer dan tien jaar in een in Berlijn gevestigd IT-bedrijf, waar hij leiding gaf aan een team van concept ontwikkelaars, grafisch ontwerpers en webprogrammeurs. In 2008 kreeg hij een beurs van de schrijverswerkplaats Proza van het Literaire Colloquium Berlin. In 2009 ontving hij de Alfred Döblin beurs van de Berliner Akademie der Künste. Zijn debuutroman ‘Kress’ verscheen in 2015 in de Ullstein Verlag.
Uit: Kress
„Als Kress an diesem Abend nach Hause kam, war ihm mächtig feierlich zumute. Auf dem Heimweg hatte er sich hinreißen lassen, in einem türkischen Imbiss eine Fanta zu ordern. Fanta war sein Lieblingsgetränk, aber weil schöne Dinge schwach machten, gab es Fanta nur in besonderen Momenten. Jetzt, noch während er die Tür abschloss, schüttelte er sich den letzten Tropfen in den Rachen, und weil er noch nicht genug hatte von dem herrlichen Süß, stapfte er in die Küche und suchte aus einem der Kartons das Brotmesser hervor. So ausgerüstet begab er sich an den Schreibtisch und machte sich daran, mit kleinen Sägebewegungen die Aluminuiumdose zu enthaupten, um auch an die in der Dose verbliebene Fantafeuchtigkeit zu gelangen. Er bog den Dosenkopf zur Seite, wischte mit dem Zeigefinger entlang der Innenwände und steckte sich den Finger gedankenvoll in den Mund. Die kleine blonde Person ging ihm nicht aus dem Sinn. Er fragte sich, wie er vernünftigerweise den Erstkontakt herstellte, wenn er sie denn aufgespürt hatte, und weil ihm nichts Besseres einfiel, stand er auf und wanderte hinüber zu seinen Umzugskartons, wo er aus seiner Ausgabe von Goethes Werken Band 3 hervor suchte (Dramatische Dichtungen I) und im Faust die Stelle aufschlug, wo Faust das Gretchen erstmalig anspricht, um ihm seinen Arm und Geleit anzutragen. Das Ganze erschien ihm nicht sonderlich überzeugend, trotzdem legte er einen Zettel zwischen die Seiten, um sie am Morgen noch einmal genau zu studieren. Er trat zurück an den Schreibtisch und streckte neuerlich den Finger zur Dose — ratsch, ärgerlich: Da hatte ihm der gesägte Dosenrand einen halben Quadratzentimeter Fingerkuppe abrasiert. Einen Moment lang war Kress sehr zufrieden mit sich, weil es gar nicht blutete; dann aber füllte sich der Schnitt mit dunklem Rot, und mürrisch latschte er ins Bad, um die Wunde mit Klopapier zu verbinden.“
Alyosha Brell (Wesel, 1980)