Maiken Nielsen

De Duitse schrijfster en journaliste Maiken Nielsen werd geboren op 4 maart 1965 in Hamburg. Nielsen stamt af van een oud geslacht van piloten en kapiteins uit Övelgönne en is de kleindochter van de Hindenburg navigator Christian Nielsen. Na de schooljaren in Hamburg studeerde zij aan de universiteit van Aix-en-Provence taalwetenschappen. Na haar afstuderen keerde Nielsen terug naar Duitsland en vestigde zich opnieuw in haar geboortestad. Sinds 1996 is zij werkzaam als journaliste en omroepmedewerkster voor de Norddeutsche Rundfunk. Als schrijfster heeft zij zich vooral geconcentreerd op kinderboeken en romans. Sommige kinderboeken zijn zo succesvol dat ze in Hamburg tot het leesmateriaal van basisschoolleerlingen behoren. Naast de kinder- en jeugdboeken heeft de schrijver ook een Hamburgse familiesaga geschreven. Daarin beschrijft ze het leven van het gezin van een kapitein in verschillende generaties. Werk o.a. : „Das Haus des Kapitäns“ (2002), „Die Tochter des Kapitäns“ (2007), „Die Freimaurerin“ (2008), „Das siebte Werk“ (2009), „Trampen. Durch die Welt mit Neugier und Glück“ (2011), „Ziemlich mitgenommen“ (2014), „Und unter uns die Welt“ (2016), „Space Girls“ (2019)

Uit: Und unter uns die Welt

„Der Sturm drückte die Pinnas in eine Talfahrt. Christian klammerte sich an den Kreuzmast, während das Schiff immer tiefer rauschte. Er rutschte ab und wäre in die See gespült worden, wenn der Koch ihn nicht am Arm gepackt hätte. Dann wieder ein Gipfel, den sie erklimmen mussten. Und noch mal hinab in ein strudelndes Loch. Stunde um Stunde wühlte sich der Dreimaster durch das lärmende Wassergebirge. So wankte er aus der Nacht ins Morgenlicht. Wie Onkel Per aus Keitum, der im Schützengraben verrückt geworden war, dachte Christian. Wie ein Mensch, den man nicht halten kann. Eine Wand aus Wasser wuchs vor ihnen in die Höhe, größer als jede andere, die Christian bislang gesehen hatte. So hoch ragte die Wand auf, dass alles dahinter verschwand. Christian spürte, wie es ihn nach hinten drückte. So steil war die Wand, dass die Pinnas sich aufrichtete. Mit der Bugspitze nach oben schob sie sich das senkrechte Wasser hinauf. Das Schiff hatte die Spitze erklommen. Alles konnte er jetzt erkennen: die See, die wie ein Berg war, und den ganzen geballten Himmel und Fietes Fluch, den man nicht hören konnte, so laut brach der Berg. Das Wasser donnerte ihm eiskalt entgegen, aber etwas anderes war noch lauter, und das war Holz, das brach. Das Schiff wurde in die Tiefe geschleudert, in ein strudelndes Tal. Christian fühlte, wie es ihn mitriss, wie der Fall in den Abgrund nicht enden wollte und wie ihm ein Schmerz in den Kopf schoss, dass es nicht mehr zum Aushalten war. Das Tosen und Prasseln verstummte. Finsternis hüllte ihn ein. Er sah die Augen der Mutter beim Abschied, hörte ihre zärtliche Stimme, konnte ihre Angst in der Umarmung fühlen. Wie fest sie ihn an sich gepresst hatte. Das neue Hemd war ganz knittrig davon geworden. Er sah sich selbst lachen und sagen, sie solle sich keine Sorgen machen. Und dann war die kleine Robbe aufgetaucht, das Mädchen, mit dem er gespielt hatte, solange er denken konnte, und hatte ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt. Die Sonne hatte geschienen, als er von Sylt losgefahren war, Wind hatte die Baumhecken gezaust. Bald würde der Herbst kommen und mit ihm die Äpfel, hatte er gedacht. Die kleine Robbe war auf ihrem Fahrrad ein Stück neben dem Zug hergefahren. Mit ihrem ganzen Gewicht hatte sie sich in die Pedale gestemmt, und ihre langen Zöpfe waren im Wind geflogen, so schnell war sie gefahren, um mit dem Zug mithalten zu können, bis sie schließlich zurückgefallen, kleiner geworden und ihre Silhouette aus seinem Blickfeld verschwunden war. So hatte er sie in den letzten Tagen immer vor sich gesehen, wenn seine Sehnsucht nach zu Hause groß geworden war. Und so würde sie ihn begrüßen, wenn er den Fall und den Schmerz überlebte, das wusste er.“

Maiken Nielsen (Hamburg, 4 maart 1965)


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