Deutscher Buchpreis 2008 voor Uwe Tellkamp

De Duitse schrijver Uwe Tellkamp heeft voor zijn dit jaar verschenen roman Der Turm de Deutsche Buchpreis 2008 gewonnen voor de beste roman in de Duitse taal, een prijs die te vergelijken is met de Prix Goncourt of de Man Booker Prize. Uwe Tellkamp werd geboren op 28 oktober 1968 in Dresden. Zijn eerste satirische tekst verscheen al in in 1987 in het blad Eulenspiegel, dus nog in de tijd van de DDR. Na zijn gymnasiumopleiding diende Tellkamp in het leger van de DDR. Daarin bleef hij tot 1989 ook als onderofficier werkzaam tot hij het bevel kreeg uit te rukken tegen „de oppositie“, waaronder ook een broer van de schrijver. Dat weigerde hij. Hij verloor zijn studieplaats medicijnen en moest twee weken de gevangenis in. Zijn studie medicijnen voltooide hij later in Dresden, Leipzig en New York. Na zijn afstuderen werkte hij een tijd in een kliniek München, maar in 2004 gaf hij dit beroep op ten gunste van zijn schrijverschap. Bij een breder publiek bekend werd Tellkamp door een lezing uit zijn roman Der Schlaf in den Uhren in 2004 in Klagenfurt, waarvoor hij de  Ingeborg-Bachmann-Preis won. Ook opzien baarde zijn roman Der Eisvogel uit 2005.

 

Uit: Der Turm

“1. Auffahrt

Die elektrischen Zitronen aus dem VEB »Narva«, mit denen der Baum dekoriert war, hatten einen Defekt, flackerten ackerten hin und wieder auf und löschten die elbabwärts liegende Silhouette Dres­dens. Christian zog die feucht gewordenen, an den wollenen In­nenseiten mit Eiskügelchen bedeckten Fäustlinge aus und rieb die vor Kälte fast taub gewordenen Finger rasch gegeneinander, hauchte sie an – der Atem verging als Nebelstreif vor dem finster liegenden, in den Fels gehauenen Eingang des Buchensteigs, der hinauf zu Arbogasts Instituten führte. Die Häuser der Schiller­straße verloren sich im Dunkel; vom nächstgelegenen, einem Fachwerkhaus mit verriegelten Fensterläden, lief eine Stromlei­tung ins Geäst einer der Buchen über dem Felsdurchgang, ein Ad­ventsstern brannte dort, hell und reglos. Christian, der über das Blaue Wunder und den Körnerplatz gekommen war, ging weiter stadtauswärts, in Richtung Grundstraße, und erreichte bald die Standseilbahn. Vor den Schaufenstern der Geschäfte, an denen er vorüberging – ein Bäcker, Molkereiwaren, ein Fischladen –, waren die Rolläden herabgelassen; düster und mit aschigen Kon­turen, halb schon in Schatten, lagen die Häuser. Es schien ihm, als ob sie sich aneinanderdrängten, Schutz beieinander suchten vor etwas Unbestimmtem, noch nicht Ergründbarem, das vielleicht aufgleiten würde aus der Dunkelheit – wie der Eismond aufge­glitten war über der Elbe vorhin, als Christian auf der menschen­leeren Brücke stehengeblieben war und auf den Fluß geblickt hatte, den dicken, von seiner Mutter gestrickten Wollschal über Ohren und Wangen gezogen gegen den frostscharfen Wind. Der Mond war langsam gestiegen und hatte sich von der kaltträgen, wie flüssige Erde wirkenden Masse des Stroms gelöst, um allein über den Wiesen mit ihren in Nebelgespinste gehüllten Weiden, dem Bootshaus auf der Altstädter Elbseite zu stehen, den gegen Pillnitz zu sich verlierenden Höhenzügen. Von einem Kirchturm in der Ferne schlug es vier, was Christian wunderte.

Er ging den Weg zur Standseilbahn hinauf, stellte seine Reise­tasche auf die verwitterte Bank vor dem Gatter, das den Bahn­steig abschloß, und wartete, die Hände samt Handschuhen in die Taschen seiner militärgrünen Parka gesteckt. Die Zeiger der Bahnhofsuhr über dem Schaffnerhäuschen schienen sehr lang­sam vorzurücken. Außer ihm wartete niemand auf die Stand­seilbahn, und um sich die Zeit zu vertreiben, musterte er die Anzeigentafeln. Lange waren sie nicht mehr gesäubert worden. Eine warb für das Café Toscana auf der Altstädter Elbseite, eine für das weiter in Richtung Schillerplatz liegende Geschäft Näh­ter, eine andere für das Restaurant Sibyllenhof an der Bergstati­on. In Gedanken begann Christian Fingersatz und Melodiefolge des italienischen Stücks zu wiederholen, das auf der Geburts­tagsfeier für den Vater gespielt werden sollte. Dann sah er in die Dunkelheit des Tunnels. Ein schwacher Schein wuchs, füllte all­mählich die Tunnelhöhlung wie steigendes Wasser einen Brun­nen; zugleich wuchs das Geräusch: ein schieferiges Knarren und Ächzen, das Führungsseil aus Stahldrähten knackte unter der Last, ruckend näherte sich die Bahn, eine mit Meereslicht gefüll­te Kapsel; zwei Scheinwerferaugen beleuchteten die Strecke. Im Wagenquader waren die unscharf umrissenen Körper einzelner Fahrgäste zu sehen; in der Mitte der verfließende Schatten des graubärtigen Schaffners, der seit Jahren auf dieser Strecke fuhr: hinauf und hinab, hinab und hinauf immer im Wechsel, viel­leicht schloß er die Augen dabei, um dem Anblick des allzu Ver­trauten zu entgehen oder um es innerlich zu sehen und es dann zu verdrängen, um Geister zu bannen. Wahrscheinlich aber sah er schon mit dem Gehör, jeder Ruck während der Fahrt mußte ihm bekannt sein.

 

Tellkamp

Uwe Tellkamp (Dresden, 28 oktober 1968)