Das große Turnerlied,
oder: Was Südmichel der Tertianer über das edle Turnen gemacht hat
Das Turnen ist ein deutsches Ding,
Darum ich gern vom Turnen sing’;
‘s ist eine Kunst und ein Pläsir,
Des Menschen Vorzug vor dem Thier.
Die Stücke, die der Turner macht,
Sind fein und herrlich ausgedacht,
In jedem was besondres steckt,
Das eigene Empfindung weckt.
Am Reck zuerst der edle Schwung
Gibt Kraft ihm und Begeisterung,
Sodann gewährt ihm Hochgenuß
Das Rädle mit dem linken Fuß.
Die Bauchwell’ an dem hohen Reck
Ist eine Uebung ziemlich keck;
Zehn, zwanzigmal – wie ächzt die Stang!
Dem Schwächling wird es angst und bang.
Die Reitwell’ ist das Gegenstück
Vorwärts sowohl als auch zurück.
Ein andrer Mensch wird turmelig,
Der Turner amüsiret sich.
Mit Anmuth, lustig und gewandt,
Macht er hierauf den Schulterstand,
Da sitzt die Schulter auf der Stang,
Die Beine stehn der Luft entlang.
Zum Zeichen, daß ihm’s wohlergeh’,
Hängt sich der Turner in die Zeh’,
Und baumelt da im Weltenraum
Oft stundenlang voll süßem Traum.
Das Armrad, auch ein edler Schwung,
Versetzt uns in Verwunderung,
Und selbst das Auf- und Niederziehn
Ist ein vergnügliches Bemühn.
Auch legt er sich zum Zeitvertreib
Zuweilen auf den Unterleib,
Und schwimmt in freier Luft umher,
Als wär’ er gar kein Mensche mehr.
Pomadig auch die Sitzwell’ geht,
Doch nur, wenn er es wohl versteht,
Denn kann er’s nicht, fällt er herab
Und bricht den Hals und kommt in’s Grab.
Wie überall im großen Ton
Man spricht von dem Napoleon,
So gibt’s Napoleone zwei
Bei uns in unserer Turnerei.
Der große ist ein toller Schwung,
Der kleine ist ein leichter Sprung;
Der Riesenschwung jedoch vom Reck
Gewährt den angenehmsten Schreck.
Epke Zonderland
Vom Barren macht der Turner auch
Unendlich vielerlei Gebrauch,
Er hüpft und schwingt sich in dem Kreuz,
Wippt vorwärts, rückwärts und abseits.
Der Todtensprung, die Maus, die Scheer,
Der Teufelssprung und so noch mehr,
Da wird geschlenkert und gemacht,
Daß Einem ‘s Herz im Leibe lacht.
Auch ohne hölzernes Geräth,
Der Turner vielen Spaß versteht,
Gewichte hebt er und halb krumm
Schwingt er sie um den Kopf herum.
Den Zitterbalken zu begehn,
Ist nicht so leicht als wunderschön,
Das eigne Lachen – lachet nicht! –
Bringt Einen oft um’s Gleichgewicht.
Er läuft auf Händen manchen Tag,
Springt höher als ein Floh vermag,
Er klettert, krebselt katzengleich,
Setzt über Gräben Loch und Teich.
Mit Stangen fliegt er in die Höh,
Und kommt hernieder auf der Zeh,
Er spannet Schnüre in den Raum
Und macht dann seinen Purzelbaum.
Auf Leitern frei in Handen hüpft
Er auf und ab, indem er lüpft
Vom Boden auf das Steiggeräth
Und oft auf höchster Sprosse steht.
Seilziehen ist ihm eine Lust,
Da weitet sich die starke Brust;
Verkrattelt dann sich auf der Erd,
Und hopst dann wieder auf das „Pferd“.
Schön ist der Pyramidenstand,
Der Turner liebt das Vaterland,
Backofenschieben liebt er auch,
Thut’s ihm gleich manchmal weh am Bauch.
Frisch, fröhlich, fromm und frei, so heißt
Sein Wahlspruch und so ist sein Geist
Im Dauerlauf bewährt er das,
Doch lungert er auch gern im Gras.
Noch vieles treibt er meisterlich,
Springt reihenweise über sich,
Er wandert über Berg und Thal
Und seine Muskeln sind wie Stahl.
Drum vivat hoch die Turnerei!
Der Turner nur lebt sorgenfrei,
Und singt, im Knopfloch einen Strauß,
Sein Lied in alle Welt hinaus.
Ludwig Eichrodt (2 februari 1827 – 2 februari 1892)
Zie voor de schrijvers van de 8e augustus ook mijn blog van 8 augustus 2011 deel 1 en eveneens deel 2.