Fatma Aydemir

Onafhankelijk van geboortedata

De Turks-Duitse schrijfster en journaliste Fatma Aydemir werd geboren in 1986 in Karlsruhe. Zij studeerde Duitse en Amerikaanse Studies in Frankfurt en San Diego. Sinds 2012 werkt zij als redacteur bij de taz. Daarnaast werkt zij als freelance schrijver, onder andere voor de magazines Spex en Missy Magazine. In 2017 debuteerde zij met de roman “Ellenbogen”.

Uit:Ellenbogen

“Hätte Desiree mir nicht mit ihren langen, sauberen Fingern jeden Lippenstift und Nagellack einzeln vorgeführt, wäre ich niemals auf die Idee gekommen zu klauen. Es war Sommer, das weiß ich noch genau, denn Desiree trug hellblaue Hotpants und die auf ihren Beinen glänzenden Härchen standen aufrecht, weil die Klimaanlage den Supermarkt in einen großen Kühlschrank verwandelt hatte. Obwohl ich erst sieben war, wusste ich, dass ich so kurze Hosen niemals würde tragen dürfen. Und ich wusste auch, dass Mama mir niemals erlaubt hätte, einen Glitzerlippenstift zu kaufen. Desiree aber hatte einen Geldschein in der Hand und musste sich nur noch für eine Farbe entscheiden. Sie nahm den pinken Lippenstift, klar, denn Desiree war blond und hielt sich für Barbie. Eigentlich sah sie tatsächlich ein bisschen aus wie Barbie, doch das habe ich ihr nie gesagt.
Das Leben war schon gut genug zu Desiree.
Ich begleitete sie bis fast an ihre Haustür. Desirees Mutter stand schon auf dem Balkon, die Hände in den Hüften. Sie war groß, extrem dünn und immer ein bisschen braun gebrannt. Keine Ahnung wieso, wahrscheinlich fuhren sie oft in den Urlaub. Sie trug ein enges Tanktop und keinen darunter, so dass man immer nur Titten sah, wenn man an Desirees Mutter dachte. Die Titten waren viel kleiner als die von Mama, aber nicht spitz, sondern rund wie zwei Tennisbälle, eigentlich ganz hübsch. Desirees Mutter rief uns mit strengem Blick zu, dass die Familie nun zu Mittag essen würde. Desiree nickte, schaute mich an und winkte mir zum Abschied. Sie winkte, obwohl ich neben ihr stand. Nie habe ich Desirees Wohnung von innen gesehen, aber oft habe ich mir vorgestellt, wie es drinnen aussehen könnte.”

 
Fatma Aydemir (Karlsruhe, 1986)