Milena Moser

De Zwitserse schrijfster Milena Moser werd geboren op 13 juli 1963 in Zürich als dochter van de psycholoog en fictievertaler Marlis Pörtner, geboren Bindschedler (1933 tot 2020), en de schrijver Paul Pörtner. Haar jongere broer Stephan Pörtner is ook schrijver. Nadat ze de middelbare school had afgerond, voltooide ze een stage als boekverkoper en schreef vervolgens voor Zwitserse omroepen. Ze schreef ook boeken, maar kon er geen uitgever voor vinden. Daarom richtte ze Krösus Verlag op, waar het boek “Die Putzfraueninsel“ werd gepubliceerd. Dit werd een bestseller en Peter Timm bewerkte het voor de bioscoop. In 1998 verhuisden Milena Moser en haar gezin voor acht jaar naar San Francisco. Terug in Zwitserland richtte ze samen met Sibylle Berg en haar toenmalige agent Anne Wieser een ‘schrijfschool’ op. In haar ‘schrijfstudio’ in Aarau gaf ze schrijfcursussen voor amateurs, en als ‘schrijfcoach’ begeleidde ze schoolklassen bij het schrijven van een gezamenlijk werk. In 2015 verhuisde Milena Moser opnieuw naar de VS. Ze kocht een huis in Santa Fe (New Mexico), waar ze aanvankelijk alleen woonde. Daar wijdt de succesvolle auteur zich weer volledig aan het schrijven. Sinds mei 2020 is ze voor de derde keer getrouwd met de Mexicaanse kunstenaar Victor-Mario Zaballa. Ze is moeder van twee zoons uit haar eerste twee huwelijken.

Uit: Der Traum vom Fliegen

„Sofia war im Sitzen eingeschlafen, auf dem breiten Bett in ihrem Zimmer, das mit Zierkissen, Nackenrollen und Stofftieren übersät war, mit Büchern, Zeitschriften, ihrem Laptop, ihrem Smartphone. Während der Pandemie war ihr Studium erst unterbrochen und dann zum Fernstudium umfunktioniert worden. Doch davon wollte sie sich nicht aufhalten lassen. Seit sie ein Kind war, wusste Sofia, was sie wollte. Fliegen. Sie wollte fliegen.
Sie wollte ins All. Schon während der Mittelschule hatte sie zielstrebig darauf hingearbeitet, zusätzliche Kurse in Physik und Mathematik belegt, frühzeitig abgeschlossen und sich daraufhin sofort beim renommierten Massachusetts Institute of Technology in Boston für einen Studienplatz in Raumfahrttechnik beworben. Sie war nicht nur aufgenommen worden, man hatte ihr sogar ein Stipendium angeboten.
Sie war eine der Besten ihres Jahrgangs. Gewesen. Denn in letzter Zeit schlief sie immer wieder ein, mitten in einer Recherche oder sogar einer Videovorlesung. Während des Lockdowns hatte sie das Zeitgefühl verloren und sich daran gewöhnt, nicht länger als zwei, drei Stunden am Stück zu schlafen, dafür immer wieder. Egal, ob es Tag war oder Nacht. Das konnte sie ohnehin nicht mehr klar voneinander unterscheiden. Als der Campus wieder geöffnet wurde, entschied sie sich, das Fernstudium vorläufig weiterzuführen. Die Vorstellung, so weit von zu Hause weg zu sein, ihr Zimmer mit anderen zu teilen, die sie nicht kannte, dieselbe Vorstellung, die sie jahrelang mit Vorfreude erfüllt hatte, überforderte sie jetzt. Sie traute sich nicht mehr zu, ihr Zimmer zu verlassen, ihr Haus, ihre Straße, ihre Stadt.
Als sie aufwachte, war es dunkel. Neumond, erinnerte sie sich. Ihr Papa Santiago hatte beim Abendessen darüber gesprochen. Er glaubte an den Einfluss der Sterne auf sein Befinden und las so viele Horoskope, dass er immer irgendwo etwas Tröstliches fand.
Sofia setzte sich auf. Der Nachthimmel vor ihrem Fenster übte eine seltsame Anziehungskraft auf sie aus. Sie ging zum Fenster und schob es auf. Ihr Haus am oberen Ende der Nevada Street grenzte an den Bernal Heights Park. Sofias Zimmer ging auf den Park hinaus, dahinter sah sie die Lichter der Bay Bridge glitzern. An besonderen Feiertagen formierten sich die Lichter zu Mustern, zu Herzen oder Sternen, manchmal auch zu Buchstaben.
Und dann kauerte sie plötzlich auf dem Fensterbrett. Ohne darüber nachzudenken, war sie auf ihren Schreibtisch geklettert und durch die Fensteröffnung geschlüpft. Nun stand sie auf dem Dachvorsprung und breitete die Arme aus. Sie überlegte nichts.“

 

Milena Moser (Zürich, 13 juli 1963)