In Memoriam Hellmuth Karasek
De Duitse journalist, schrijver, film- en literair criticus en hoogleraar theaterwetenschapHellmuth Karasek is op 81-jarige leeftijd overleden. Hellmuth Karasek werd geboren op 4 januari 1934 in Brno, Moravië, Tsjechoslowakije. Zie ook alle tags voor Hellmuth Karasek op dit blog.
Uit: Auf der Flucht
“Weihnachten 1944 war besonders kalt, weiß war es in den Beskiden ohnehin. Die Wohnung war warm, ich hatte zur Eisenbahn noch einen Metallbaukasten bekommen und Bausteine.
Aber leider war mir sterbenselend, ich war das üppig fette Essen, die Weihnachtsgans, nicht gewohnt und habe mich über dem glatten, glänzenden Parkettboden übergeben. Meine Mutter steckte mich ins Bett und gab mir Tee. Ein paar Tage später hieß es, die Mutter müsse mit uns Kindern Bielitz verlassen. Vorübergehend. Die Russen hätten in einer Offensive die deutsche Front gebrochen und seien im Vorstoß auf das Kohle- und Industrierevier um Kattowitz.
Mein Vater müsse an der Heimatfront bleiben.
Wir packten ein paar Koffer, so viel, wie ich und meine Mutter gerade tragen konnten, und mein Vater fuhr uns zum Bahn-hof, der von Schneestürmen umtobt war. Meine kleinen Geschwister, mein fünfjähriger Bruder Horst, meine vierjährige Schwester Ingrid und meine zweijährige Schwester Heidrun hielten wir an der Hand. Nach stundenlangem Warten auf dem Bahnsteig, der immer wieder von Schneeverwehungen freigeschaufelt werden musste, drängten wir uns in einen überfüllten Zug, der uns, »vorübergehend«, so beschwichtigte mein Vater meine Mutter, auf ein Gut in Niederschlesien bringen sollte.
Ich erinnere mich an das erleichtert freudige Gefühl, das ich empfand, weil ich nach den Ferien nun doch nicht mehr in meine gehasste Schule mit ihrem Drill zurückkehren musste. Ich wusste noch nichts von den Wochen, in denen wir uns immer wieder in eisige Züge kämpfen und drängen, auf vereisten Straßen auf Lastwagen warten, in überfüllten Wartesälen oder Schulen auf dem Boden schlafen, in Gestank, Geschrei, unter Verzweifelten und dumpf Verstummten, im Dreck, in Angst und Panik, die Tage in Hunger und Kälte verbringen mussten. Es war der totale Zusammenbruch. Dass es eine Befreiung war, lernte ich erst Jahre später. Nur manchmal hätte ich gerne gewusst, wer später an Weihnachten von den Tellern gegessen hat, die wir zurückließen. Welche Bilder an den Wänden hingen. Und was aus der Märklin-Eisenbahn geworden ist, mit der ich nur zwei Tage gespielt hatte.“
Hellmuth Karasek (4 januari 1934 – 29 september 2015)