Allerheiligen (Norbert Hummelt)

 

Dolce far niente – Bij Allerheiligen

 


Griekse icoon van Alle Heiligen, 18e eeuw

 

Allerheiligen

sie sperren abends lang schon nicht mehr zu; nah den laternen
sieht man, wo man tritt; weil sich die augen rasch gewöhnen
können, wirkt nach u. nach der ganze weg beleuchtet. wann

wenn nicht heute kann man zu so später stunde getrost zu seinen
lieben toten gehen. die lichte leuchten nie so dicht, so traulich
aufgestellt in bodennähe, dass man geführt wird von dem warmen
schein, wenn auch kein lebender mehr unterwegs sein wird. doch
kann ich trotzdem eines nicht verstehen. waren nicht sonst um diese
Jahreszeit die gräber vielfach schon mit torf bestreut? war ich nicht

selber einer, der da streuen ging, bis alle erde zugedeckt erschien?
jetzt liegt die krume unverhüllt; vom torf ist man gemeinhin ab-
gekommen. friert denn die erde winters nicht mehr zu? ist niemand

mehr da unten drin, dem eine warme decke guttun könnte, jetzt, wo
die tage (uhr ist umgestellt) mit einem mal rapide kürzer werden? ist
das organische schon so weit abgebaut, dass man von überresten kaum

mehr reden kann? sind pilze u. bakterien mit ihrer arbeit schon zum
schluss gekommen? das längst; doch bin ich nicht gewohnt, die dinge,
die in rede stehen, auf diese kühle art zu sehen. ist hier doch stets

der ort gewesen, wo ich den toten nahe war, in rufweite zu gott. da gab
es etwas, das durch wolken dringt. ich habe ein dreitagelicht; es ist
fast hell geworden, seit ein vogel singt; urahne, urangst, mutter u. Kind.

 


Norbert Hummelt (Neuss, 30 december 1962)
Neuss, St. Quirinus Münster

 

Zie voor de schrijvers van de 1e november ook mijn vorige blog van vandaag.