Christian Morgenstern, Czeslaw Milosz, Juli Zeh, Yaseen Anwer, José Emilio Pacheco, Dolce far niente

Dolce far niente

 

Sommernacht am Rhein door Christian Eduard Böttcher, 1862


Sommernacht im Hochwald

Im Hochwald sonngesegnet
hat’s lange nicht geregnet.

Doch schaffen sich die Bäume
dort ihre Regenträume.

Die Espen und die Erlen –
sie prickeln und sie perlen.

Das ist ein Sprühn und Klopfen
als wie von tausend Tropfen.

Die Lärchen und die Birken –
sie fühlen flugs es wirken.

Die Fichten und die Föhren –
sie lassen sich betören!

Der Wind weht kühl und leise.
Die Sterne stehn im Kreise.

Die Espen und die Erlen:
sie schaudern tausend Perlen…

 

Christian Morgenstern (6 mei 1871 – 31 maart 1914)
München, de geboorteplaats van Christian Morgenstern


De Poolse dichter, schrijver en Nobelprijswinnaar Czesław Miłosz werd geboren in Šeteniai op 30 juni 1911. Zie ook alle tags voor Czeslaw Milosz op dit blog.

Ars Poetica?

I have always aspired to a more spacious form
that would be free from the claims of poetry or prose
and would let us understand each other without exposing
the author or reader to sublime agonies.

In the very essence of poetry there is something indecent:
a thing is brought forth which we didn’t know we had in us,
so we blink our eyes, as if a tiger had sprung out
and stood in the light, lashing his tail.

That’s why poetry is rightly said to be dictated by a daimonion,
though it’s an exaggeration to maintain that he must be an angel.
It’s hard to guess where that pride of poets comes from,
when so often they’re put to shame by the disclosure of their frailty.

What reasonable man would like to be a city of demons,
who behave as if they were at home, speak in many tongues,
and who, not satisfied with stealing his lips or hand,
work at changing his destiny for their convenience?

It’s true that what is morbid is highly valued today,
and so you may think that I am only joking
or that I’ve devised just one more means
of praising Art with the help of irony.

There was a time when only wise books were read,
helping us to bear our pain and misery.
This, after all, is not quite the same
as leafing through a thousand works fresh from psychiatric clinics.

And yet the world is different from what it seems to be
and we are other than how we see ourselves in our ravings.
People therefore preserve silent integrity,
thus earning the respect of their relatives and neighbors.

The purpose of poetry is to remind us
how difficult it is to remain just one person,
for our house is open, there are no keys in the doors,
and invisible guests come in and out at will.

What I’m saying here is not, I agree, poetry,
as poems should be written rarely and reluctantly,
under unbearable duress and only with the hope
that good spirits, not evil ones, choose us for their instrument.

Vertaald door Czeslaw Milosz en Lillian Vallee

Czeslaw Milosz (30 juni 1911 – 14 augustus 2004)
Geboortehuis – museum Czeslaw Milosz in Šateniai

 

De Duitse schrijfster Juli Zeh werd geboren in Bonn op 30 juni 1974. Zie ook alle tags voor Juli Zeh op dit blog.

Uit: Neujahr

“Ihm tun die Beine weh. An der Unterseite, wo Muskeln liegen, die man selten beansprucht und deren Namen er vergessen hat. Bei jedem Tritt stoßen seine Zehen an das Innenfutter der Turnschuhe, die fürs Joggen, nicht fürs Radfahren gemacht sind. Die billige Radlerhose schützt nicht ausreichend vor dem Scheuern, Henning hat kein Wasser dabei, und das Fahrrad ist definitiv zu schwer. Dafür ist die Temperatur fast perfekt. Die Sonne steht weiß am Himmel, brennt aber nicht. Säße Henning auf einem Liegestuhl im Windschatten, würde ihm warm werden. Liefe er am Meer entlang, würde er eine Jacke überziehen. Radfahren ist pure Entspannung, beim Radfahren erholt er sich, auf dem Rad ist er mit sich selbst allein. Eine schmale Schneise zwischen Beruf und Familie. Die Kinder sind zwei und vier. Der Wind sorgt dafür, dass er nicht schwitzt. Der Wind ist heftig heute, eigentlich zu heftig. Theresa hat schon beim Frühstück zu klagen begonnen, sie klagt gern über das Wetter und meint es nicht böse, ihn nervt es trotzdem. Zu wann, zu kalt, zu feucht, zu trocken. Heute zu windig. Man kann nicht mit den Kindern raus. Den ganzen Tag im Haus bleiben müssen, dafür fährt man doch nicht in die Sonne. Es war Henning, der auf diesem Urlaub bestanden hat. Sie hätten Weihnachten zu Hause feiern können, günstig und gemütlich in ihrer großen Göttinger Wohnung. Sie hätten Freunde besuchen können oder sich im Centerpark einmieten. Aber dann wollte Henning plötzlich nach Lanzarote. Abend für Abend surfte er durchs Internet, betrachtete Fotos von weißer Gischt an schwarzen Stränden, von Palmen und Vulkanen und einer Landschaft, die aussah wie das Innere einer Tropfsteinhöhle. Er studierte Tabellen mit Durchschnittstemperaturen und schickte seine Funde an Theresa. Vor allem klickte er sich durch Bilderserien von weißen Villen, die zur Vermietung standen. Eine nach der anderen, Abend für Abend. Immer wurde es spät. Er nahm sich vor, damit aufzuhören und zu Bett zu gehen, und öffnete dann doch die nächste Anzeige. Betrachtete die Fotos, gierig, süchtig, fast so, als suche er ein bestimmtes Haus. Da stehen sie nun, diese Villen, ein gutes Stück von der Straße entfernt, vereinzelt im Campo verstreut. Aus der Ferne gleichen sie weißen Flechten, die sich auf dem dunklen Boden festgesetzt haben. Bei mittlerer Distanz werden sie zu Anordnungen aus verschieden großen Würfeln.“

Juli Zeh (Bonn, 30 juni 1974)


De Indiase dichter Yaseen Anwer werd geboren op 30 juni 1989 in Patna. Zie ook alle tags voor Yaseen Anwer op dit blog.

A Girl

Long long ago in the month of September
I met a girl whom I still remember
She was friendly, coy and cool
But went away making me fool

And later on, on some certain day
A similar girl passed on my way
Her eyes reminded me all that happened
My sincerity and the way she threatened

Yaseen Anwer (Patna, 30 juni 1989)


De Mexicaanse schrijver, dichter, essayist en vertaler José Emilio Pacheco werd geboren in Mexico City op 30 juni 1939. Zie ook alle tags voor José Emilio Pacheco op dit blog.

DIE SIRENE

Der Jahrmarkt auf dem sonntäglichen Platz
und die Baracke und das Aquarium mit tristen
Plastikalgen und falschen Korallen.
Kopf in der Luft die beschämte Sirene,
Schwester vielleicht von dem, der erzählt.

Doch die Geschichte irrt: von den Sirenen,
welche durch Gottes gerechte Strafe
einst in Ungeheuer verwandelt wurden.

Das Gegenteil ist der Fall: freie Wesen,
sind sie Instrumente der Poesie.
Schlecht ist nur, daß sie nicht existieren.
Verhängnisvoll ist ihre Unmöglichkeit.

 

ANTIPOSTKARTE AUS RIO DE JANERIO

Die Motten, Feinde des Bestehenden,
greifen das Eigentum an.
Planeten sind sie, die tödliche Glut
einer hypnotischen Sonne umkreisend.

Die größten Motten, die ich je sah,
blickten mich an mit leidenden Augen,
als sie auf dem Corcovado den Hitzetod starben.

Nicht die Schönheit Ríos war ihnen bestimmt,
sondern Hunger, Schrecken und Folter.

Was sie sehen, ist der sengende Stein
– und die zu Ende gehende Welt.

Vertaald door Leopold Federmair en Alejandra Rogel Alberdi

José Emilio Pacheco (30 juni 1939 – 26 januari 2014)
Mexico City

 

Zie voor nog meer schrijvers van de 30e juni ook mijn blog van 30 juni 2018 en ook mijn blog van 30 juni 2014 en eveneens mijn blog van 30 juni 2013 deel 1 en eveneens deel 2.

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