Christina Viragh, Stendhal, João Ubaldo Ribeiro, Derik Walcott, Hannelore Valencak, Antonio Gramsci

De Zwitsers-Hongaarse schrijfster en vertaalster Christina Viragh werd geboren op 23 januari 1953 in Boedapest. Zij moest samen met haar familie Hongarije in 1956 verlaten en verhuisde in 1960 naar Luzern. In Lausanne studeerde zij filosofie en Franse en Duitse literatuur. In de jaren 1985-1987 werkte zij als Teaching Assistant voor Frans aan de University of Manitoba in Winnipeg. Christina Viragh leeft en werkt tegenwoordig in Rome. Werk o.a: «Unstete Leute«, 1992, «Rufe von Jenseits des Hügels«, 1994, «Mutters Buch«, 1997, «Im April«, 2006.

 

Uit: Pilatus (2003)

 

Er begann vor Sonnenaufgang, gegen sechs Uhr. So hat es Jolans Mutter auf einem Blatt notiert, das in einer mit »Skizzen« beschrifteten Mappe liegt. An den unteren Rand des Deckels hat sie ihren Namen geschrieben: Lia. Weder ich noch Jolan haben sie so genannt, es war ein Name aus ihrer Jugend. Auch Jolan erzählt, sie seien sehr früh aufgestanden, und ich glaube, ihre spätere Gewohnheit, morgens zwischen vier und sechs in der Wohnung umherzugehen, hat mit diesem Tag zu tun. Sie weiß gar nicht, wie stark ihr Bedürfnis ist, ihn nachzustellen. In Lias Notizen steht, daß an dem Morgen der Himmel im Westen hell war. Als sie sich ans Fenster stellte und nach Westen blickte, fiel es auch Jolan auf, und sie erschrak, weil sie dachte, ihre Mutter verstehe das Licht als Warnung und Ermutigung, was das gleiche sei, denn Warnungen seien Herausforderungen, auch wenn es nicht darum gehe, ihnen geradewegs zuwiderzuhandeln, sondern darum, daß man wisse, auf welche Art etwas auf sich selber aufmerksam macht. Lia wandte sich wortlos vom Fenster ab, und auch in ihren Notizen hat sie die Helligkeit nicht kommentiert. Wahrscheinlich waren es die aus Versehen nicht gelöschten Flutlichter der Sportanlage, die am westlichen Stadtrand liegt. Bei Lia steht nur eine durchgestrichene, aber noch leserliche Notiz: »Streit mit dem P.« Paul, ihren Mann, würde ich aus guten Gründen lieber nicht erwähnen, aber es ist leider nicht zu vermeiden. Er war aufgestanden, um sich darüber zu beschweren, daß sie um diese Zeit Lärm machten. Jolan war gerade dabei, im halbdunklen Wohnzimmer ihre Brille zu suchen, hielt sich die Ohren zu, um den Wortwechsel in der Küche nicht zu hören, und brach in Tränen aus, als sie trotzdem hörte, wie der Mann sagte: »Und das arme Mädchen schleppst du mit?«
Sie fand ihre Brille zwischen der Rückenlehne und dem Sitzpolster des Sofas und saß dann eine Weile dort, mit einem blinden Ausdruck, weil die Brillengläser die Helle reflektierten. Lia hatte den Mann ins Schlafzimmer zurückgeschickt und stand rauchend in der Küche. Als Jolan und ihre Mutter ihn später an dem Tag und unabhängig voneinander zu sehen glaubten, hatten sie beide das Gefühl, ihn an dem Morgen zu wenig beachtet zu haben. Jolan stützte die Arme auf ihre einwärtsgedrehten Handrücken ab und saß völlig bewegungslos. Wenn sie so saß, ging sie den einen auf die Nerven, weil sie sich nicht vorstellen konnten, was in solchen Momenten in ihr vorging, den anderen, weil es ihnen zu offensichtlich war. Sie schien etwas auf der halbdunklen Terrasse anzustarren, die Kakteen, den Schachtelhalm oder die Zwergpalme, die sich dunkelgrau abhoben. Wäre Lia ins Wohnzimmer getreten, hätte sie Jolans geschwätziges Schweigen, wie sie es nannte, sogleich richtig gedeutet als das Nachdenken über ihren oft wiederkehrenden Traum, in dem sie ein Flugzeug war, das wegen einer auf dem Rollfeld gehenden Person nicht starten konnte. Doch Lia stand in der Küche und versuchte den Zigarettenrauch wegzufächeln, um einem Geruch auf die Spur zu kommen, der auch noch in der Luft lag. Sie ging zum Fenster und öffnete es einen Spaltbreit. Draußen roch es warm und blumig, eher nach Frühling als nach Herbst. Der Geruch durchzog in wenigen Sekunden die Küche und erreichte das Wohnzimmer, wo ihn Jolan in ihrem Traumbild als ein weißes, handbreites Band wahrnahm, das sich als zusätzliches Hindernis quer über die Startbahn legte und, als sie darauf zurollte, so plötzlich über sie kam, daß sie hochfuhr und zum zweiten Mal in Tränen ausbrach. »Warum weinst du?« sagte Lia, die jetzt neben ihr stand und auf die Tierschwänze aus Kunstpelz blickte, die Jolan mit Sicherheitsnadeln an ihrem Morgenrock befestigt hatte. Da Jolan nicht antwortete, ging sie auf die Terrasse hinaus, wo es noch wärmer schien.“

 

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Christina Viragh (Boedapest, 23 januari 1953)

 

 

De Franse schrijver Stendhal werd op 23 januari 1783 in Grenoble geboren als Henri Beyle. Zie ook mijn blog van 23 januari 2007.

 Uit: La chartreuse de Parme

Les courtisans, qui n’ont rien à regarder dans leur âme, sont attentifs à tout: ils avaient remarqué que c’était surtout dans ces jours où Clélia ne pouvait prendre sur elle de s’élancer hors de ses chères rêveries et de feindre de l’intérêt pour quelque chose que la duchesse aimait à s’arrêter auprès d’elle et cherchait à la faire parler. Clélia avait des cheveux blonds cendrés, se détachant, par un effet très doux, sur des joues d’un coloris fin, mais en général un peu trop pâle. La forme seule du front eût pu annoncer à un observateur attentif que cet air si noble, cette démarche tellement au-dessus des grâces vulgaires, tenaient à une profonde incurie pour tout ce qui est vulgaire. C’était l’absence et non pas l’impossibilité de l’intérêt pour quelque chose. Depuis que son père était gouverneur de la citadelle, Clélia se trouvait heureuse, ou du moins exempte de chagrins, dans son appartement si élevé. Le nombre effroyable de marches qu’il fallait monter pour arriver à ce palais du gouverneur, situé sur l’esplanade de la grosse tour, éloignait les visites ennuyeuses, et Clélia, par cette raison matérielle, jouissait de la liberté du couvent; c’était presque là tout l’idéal de bonheur que, dans un temps, elle avait songé à demander à la vie religieuse. Elle était saisie d’une sorte d’horreur à la seule pensée de mettre sa chère solitude et ses pensées intimes à la disposition d’un jeune homme, que le titre de mari autoriserait à troubler toute cette vie intérieure. Si par la solitude elle n’atteignait pas au bonheur, du moins elle était parvenue à éviter les sensations trop douloureuses.

 

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Stendhal (23 januari 1783 – 23 maart 1842)

 

De Braziliaanse schrijver João Ubaldo Osório Pimental Ribeiro werd geboren op 23 januari 1941 in Itaparica, Bahia. Zie ook mijn blog van 23 januari 2007.

Uit: Brasilientexte

 

“Lula meint, eine der besten Regierungen in der Geschichte Brasiliens zu stellen, doch er ist ein Dummkopf! Er wurde zum Narren am Hofe. Vor Lulas Wahl dachte ich mir nachts im Bett, es ist doch nicht möglich, dass ich als einziger Recht habe, gegen alle Welt, die das Gegenteil denkt. Aber heute ist es doch sinnlos, noch auszurufen, na, habe ich es euch nicht vorhergesagt? Einige sind nun beschämt, andere enttäuscht oder traurig. In Wahrheit hat sich doch Lulas Arbeiterpartei schon vor langer Zeit als das entpuppt, was sie wirklich ist. Jetzt spielt Lula ein für Brasilien sehr gefährliches Spiel. Vieles läuft derzeit sehr merkwürdig – doch es ist schwierig Ungereimtheiten aufzudecken, es gibt einfach Tabus. (Ribeiro singt einen Gassenhauer:) Wenn man schreit, greift den Dieb, bleibt hier keiner mehr übrig, mein Bruder. Denn alle haben ja Schuld. Wir sind ein korruptes Land, das ist die Wahrheit.

Doch Deutschland ist auch merkwürdig, ich habe da fünfzehn Monate gelebt. Und eigentlich keine Deutschen getroffen. Seid ihr Deutsche, fragte ich. Deutsche? Nein, sind wir nicht – ich identifiziere mich viel mehr mit einem Volk wie deinem, einem so fröhlichen, überschäumenden Volk. Die Deutschen sind doch so ein dunkles, trauriges, verschlossenes, fürchterliches Volk. Übrigens bin ich kein Deutscher, sondern Preuße, bekam ich außerdem zu hören. Die Deutschen, aber auch andere Völker, mögen Kritik an sich selbst über alle Maßen. Sie mögen es, schlecht von sich selber zu sprechen. Aber nur das, was ihnen in den Kram passt. Wenn du mal was sagen willst, was sie nicht hören wollen, ah, das lassen sie nicht zu! Sie wollen nur die immergleiche abgesegnete Kritik: Deutscher Autoritarismus, deutsche Härte, deutsche Kälte, tausenderlei anderes. Aber sagt man was, das nicht in deren Kritik-Katalog vorkommt, das geht nicht, da werden sie ärgerlich – ah, das ist nicht wahr, davon verstehst du doch gar nichts! Deren Kritik-Kataloge sollte man in de
n Reisebüros verteilen, damit jeder Fremde weiß, was man kritisieren darf.”

 

Ribeiro

João Ubaldo Ribeiro (Itaparica, 23 januari 1941)

 

De Westindische dichter en schrijver Derik Walcott werd geboren op 23 januari 1930 op St. Lucia, een van de kleine Bovenwindse Eilanden. Zie ook mijn blog van 23 januari 2007.

  

A Far Cry From Africa

 

A wind is ruffling the tawny pelt
Of Africa, Kikuyu, quick as flies,
Batten upon the bloodstreams of the veldt.
Corpses are scattered through a paradise.
Only the worm, colonel of carrion, cries:
“Waste no compassion on these separate dead!”
Statistics justify and scholars seize
The salients of colonial policy.
What is that to the white child hacked in bed?
To savages, expendable as Jews?
Threshed out by beaters, the long rushes break
In a white dust of ibises whose cries
Have wheeled since civilizations dawn
From the parched river or beast-teeming plain.
The violence of beast on beast is read
As natural law, but upright man
Seeks his divinity by inflicting pain.
Delirious as these worried beasts, his wars
Dance to the tightened carcass of a drum,
While he calls courage still that native dread
Of the white peace contracted by the dead.

Again brutish necessity wipes its hands
Upon the napkin of a dirty cause, again
A waste of our compassion, as with Spain,
The gorilla wrestles with the superman.
I who am poisoned with the blood of both,
Where shall I turn, divided to the vein?
I who have cursed
The drunken officer of British rule, how choose
Between this Africa and the English tongue I love?
Betray them both, or give back what they give?
How can I face such slaughter and be cool?
How can I turn from Africa and live?

 

Walcott

Derik Walcott (St. Lucia, 23 januari 1930)

 

De Oostenrijkse schrijfster en dichteres Hannelore Valencak werd geboren op 23 januari 1929 in Leoben-Donawitz. Zie ook mijn blog van 23 januari 2007.

Uit: Das Fenster zum Sommer

 

Joachim wohnte schon lange in unserer Stadt, und es gab keine Verbindung mehr zwischen ihm und mir. Und doch waren schon in der Stille die Kräfte am Werk, die uns eines Abends veranlassen würden, die gleiche Straßenbahn zu besteigen und, so wie damals, nebeneinanderzustehen. Vielleicht wurden schon Taten vollbracht und Worte gesagt, durch die dieser Augenblick für uns vorbereitet wurde. Die Allee, in der sich der Raumpunkt befand, der jenem Zeitpunkt zugeordnet war, und durch die ich täglich heimfuhr, wurde grün. Die Blätter entsprangen, entrollten sich und breiteten sich im Licht der Sonne auS.  Sie wuchsen in ein Muster hinein, das unsichtbar vorgezeichnet war, und auch nicht einem war es erlaubt, von seinem Bauplan abzuweichen. Sie webten an der Szenerie, an der Kulisse für meine Schicksalssekunde – langsam, genau und ohne Ungeduld. Ich spürte, sooft mein Blick auf sie fiel, die Kraft, die in ihnen gespeichert war, und ich ahnte die magische Kraft, die im Warten liegt.”

 

Valencak

Hannelore Valencak (23 januari 1929 – 9 april 2004)

 

De Italiaanse schrijver en politicus Antonio Gramsci werd geboren op 23 januari 1891 in Ales op Sardinië. Zie ook mijn blog van 23 januari 2007.