Daniela Dröscher, Fatma Aydemir

De Duitse schrijfster Daniela Dröscher werd geboren op 4 juni 1977 in München. Dröscher groeide op in Rijnland-Palts. Na Duits, filosofie en Engels te hebben gestudeerd in Trier en Londen, promoveerde zij in mediastudies aan de Universiteit van Potsdam op een proefschrift over de poëzie van Yōko Tawada. Ze publiceerde in tijdschriften en bloemlezingen. Van 2008 tot 2010 studeerde ze dramatisch schrijven aan de UniT Graz. In de FAZ van 18 september 2009 noemde Martin Halter haar eerste roman “Die Lichter der George Psalmanazar”, een dubbelbiografie van Samuel Johnson en de ‘Oriëntaalse fraudeur’ George Psalmanazar, een ‘barok rariteitenkabinet vol vreemde fata, hartverscheurende melancholie en slimheid.” Ze is lid van het PEN Center Duitsland. In 2022 stond haar roman “Lügen über meine Mutter” op de shortlist voor de Deutsche Buchpreis. Sinds december 2022 is Dröscher lid van PEN Berlin.

Uit: Die Lichter des George Psalmanazar

„Inmitten von dichten silbrigen Halmen, die über das Ufer bis ins Meer hinein wuchsen, lag, die Glieder weit von sich gestreckt, ein Mensch. Er hatte die Lider geschlossen. er lächelte. Die Luft roch nach Salz und Pinien. am Himmel zogen Möwen ihre Kreise, am Boden liefen Sterntaucher ihre Bahnen. Der einzige, der mit Gewissheit hätte Auskunft darüber geben können, ob der Mensch inmitten der Halme wach war oder schlief, war der Mensch selbst. niemand aber hätte ihn zu stören gewagt, auch dann nicht, als er langsam über das Gras hinweg und über das Ufer ins Wasser glitt. er trieb als stilles, leichtes Kreuz, vorbei an Bäumen, durch deren Geäst man die Wolken sah, und wenn der Wind in sie fuhr, fiel schütteres Laub auf ihn. er lag auf den Wellen, und erst als Sterne aus dem nachtblauen Tuch hervorgekrochen kamen, trieb er ans Ufer, legte sich ins Gras und fing zu schreiben an.
Der Mensch, der im Licht der aufgehenden Sonne sein Tagwerk begann, war George. George waren Sonne und Mond heilig. Wenn die kalte und die heiße Luft einander berührten und das Meer mit weich tanzenden Funken bedeckten, dann betete er. er betete, indem er die Hände gen Himmel reckte, mit der Stirn den Boden berührte und eine Geschichte, die er »Fata« nannte, hinauf zu den großen Lichtern sang. George liebte das Licht, aber seine Haut war sehr weiß und errötete schnell, und so waren alle frei liegenden Körperteile vom Hals abwärts mit einfachem Tuch umwickelt. Darüber trug er einen grauen Rock, dessen einstige Form sich nur noch schwer erraten ließ, so ganz und gar verzogen von Handgriffen wirkte er. Den Kopf bedeckte ein Fell, das er wie zu einem Turban geflochten hatte. es hatte einmal einem weißen Tier gehört.
George stand auf dem Marktplatz eines kleinen schottischen Küstenortes. Die zahnlosen Kinder des Dorfes waren ihm, so wie es häufig geschah, wenn er irgendwo auftauchte, bei seinem morgendlichen Gebet über den Platz nachgejagt und hatten versucht, ihm den Schutz über die Ohren zu ziehen. George war auf einen hohen Felsen geflüchtet. Dort hatte er gesessen und ins Meer geblickt, und irgendwann war er mit einem Satz hinuntergesprungen, um später mit einem Bündel Fische unter dem Arm auf den Marktplatz zurück- zukehren.
Das Wasser aus seinem Rock auswringend, schlug George die noch zuckenden Tiere gegen den Stein. einem Barsch biss er den Kopf ab. Er kaute den Bissen und schluckte einen Teil hinunter, die andere Hälfte ließ er in seinem Brotbeutel verschwinden. Dann zog er aus seinem Seesack beschriebene Blätter hervor und begann, die übrigen Fische darin einzuwickeln. Die Umstehenden standen still, nur das Muschelband um Georges Handgelenk raschelte.
Wer er sei, fragte ein Mann, der nur noch einen einzigen vorderen zahn in seinem Mund vorzuweisen hatte.
Woher er käme, fragte ein anderer, dessen Gesicht kein lächeln zu kennen schien.
George aber hätte nicht einmal zu sagen gewusst, ob er sich an einer französischen oder an einer schottischen Küste befand.“

 

Daniela Dröscher (München, 4 juni 1977)

 

Onafhankelijk van geboortedata

De Duitse journaliste en schrijfster Fatma Aydemir werd geboren in 1986 in Karlsruhe. Haar grootouders kwamen als Turkse gastarbeiders naar Duitsland toen haar ouders tieners waren. Ze studeerde Germanistiek en Amerikanistiek in Frankfurt am Main. Aydemir woont sinds 2012 in Berlijn en werkt als redacteur bij het dagblad taz, waar ze zich bezighoudt met de onderwerpen popcultuur, literatuur en Turkije. Ze was medeoprichter van het tweetalige webportaal taz.gazete (2017–2020), als reactie op de staatsrepressie tegen de persvrijheid in Turkije. Als freelance auteur schrijft ze ook voor Spex en Missy Magazine. Sinds 2023 is ze columniste voor de Europese editie van The Guardian. Haar in 2017 verschenen debuutroman “Ellbogen”, die gaat over een escalatie van geweld in een metrostation, verdeelde de critici. Recensent Philipp Bovermann in de Süddeutsche Zeitung waardeert Aydemirs heldere taal en ziet het boek als twee schopjes in de maag: “Eén voor de vrouwonvriendelijke Turkse samenleving. En eentje voor de leugenachtigheid van de o zo liberale Duitsers.”Andrea Diener van de Frankfurter Allgemeine Zeitung had daarentegen graag meer gedifferentieerde observaties van de Duits-Turkse hoofdpersoon Hazal gezien. Literair criticus Meike Feßmann prees Aydemirs tweede roman “Dschinns”, gepubliceerd in 2022, als ‘een wonder van precisie en empathie’. In de ZEIT bekritiseerde Iris Radisch echter dat het boek was geschreven in een ‘stereotiep, politiek activistisch jargon.

Uit: Ellbogen

„Hätte Desiree mir nicht mit ihren langen, sauberen Fingern jeden Lippenstift und Nagellack einzeln vorgeführt, wäre ich niemals auf die Idee gekommen zu klauen. Es war Sommer, das weiß ich noch genau, denn Desiree trug hellblaue Hotpants und die auf ihren Beinen glänzenden Härchen standen aufrecht, weil die Klimaanlage den Supermarkt in einen großen Kühlschrank verwandelt hatte. Obwohl ich erst sieben war, wusste ich, dass ich so kurze Hosen niemals würde tragen dürfen. Und ich wusste auch, dass Mama mir niemals erlaubt hätte, einen Glitzerlippenstift zu kaufen. Desiree aber hatte einen Geldschein in der Hand und musste sich nur noch für eine Farbe entscheiden. Sie nahm den pinken Lippenstift, klar, denn Desiree war blond und hielt sich für Barbie. Eigentlich sah sie tatsächlich ein bisschen aus wie Barbie, doch das habe ich ihr nie gesagt. Das Leben war schon gut genug zu Desiree.
Ich begleitete sie bis fast an ihre Haustür. Desirees Mutter stand schon auf dem Balkon, die Hände in den Hüften. Sie war groß, extrem dünn und immer ein bisschen braun gebrannt. Keine Ahnung wieso, wahrscheinlich fuhren sie oft in den Urlaub. Sie trug ein enges Tanktop und keinen BH darunter, so dass man immer nur Titten sah, wenn man an Desirees Mutter dachte. Die Titten waren viel kleiner als die von Mama, aber nicht spitz, sondern rund wie zwei Tennisbälle, eigentlich ganz hübsch. Desirees Mutter rief uns mit strengem Blick zu, dass die Familie nun zu Mittag essen würde. Desiree nickte, schaute mich an und winkte mir zum Abschied. Sie winkte, obwohl ich neben ihr stand. Nie habe ich Desirees Wohnung von innen gesehen, aber oft habe ich mir vorgestellt, wie es drinnen aussehen könnte.
Danach ging ich wieder zurück zum Supermarkt und ließ den Lippenstift unauffällig in meiner Hosentasche verschwinden. Ich kann nicht sagen, was ich mit ihm vorhatte, ich glaube, es ging nur darum, ihn zu besitzen, ab und zu daran zu riechen. Denn auftragen konnte ich ihn auf keinen Fall, Mama hätte mir dafür direkt eine Schelle verpasst.
Als ich an der traurigen Kassiererin mit dem Damenbart vorbeischlich, senkte ich meinen Blick und konzentrierte mich auf die Fliesenrillen. Draußen rannte ich die dreihundert Meter nach Hause, als müsste ich dringend aufs Klo, schloss mit dem Schlüssel, der an einem dunkelblauen Faden um meinen Hals hing, die Tür auf, sprang die Treppenstufen in den ersten Stock hoch, schloss die Wohnungstür auf, lief direkt in unser Kinderzimmer und hielt den Lippenstift Onur stolz vor die Nase. Onur schenkte mir nur einen fragenden Blick und spielte weiter mit seinen beschissenen Legosteinen. Spasti.“

 

Fatma Aydemir (Karlsruhe, 1986)

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