De Duitse schrijfster Lisa Kränzler werd geboren op 25 december 1983 in Ravensburg. Zij behaalde in 2003 het eindexamen gymnasium in Weingarten. Daarna studeerde zij van 2005 tot 2010 in Karlsruhe schilderkunst en grafiek aan de Rijksacademie van Beeldende Kunsten. In de periode 2010 – 2011 was zij een masterstudent bij Tatjana Doll. Kränzler wijdde zich al vroeg aan het schrijven. Tijdens haar studie schreef ze onophoudelijk en wel met een mechanische typemachine op A4-vellen, die werden verdeeld door horizontale lijnen. Voor haar tekeningen en vooral voor de grootschalige werken gebruikt ze vaak comic-sjablonen die haar door hun willekeurige kleuren inspireren. Als kunstenaar beschouwd ze literatuur en beeldende kunst als eenheid, Zij ziet zich zelf als een schildersd die schrijft. In februari 2012 publiceerde Kränzlerhaar eerste roman “Export A” over een zestien-jarige uitwisselingsstudent in Canada. Haar tweede roman “Nachhinein” werd in 2013 genomineerd in de categorie Literatuur voor de Leipziger Buchmesse.
Uit: Nachhinein
„Unwahrscheinlich, dass sich das Gefühl ihrer frisch gesprossenen, streichholzkopfkurzen Haarspitzen unter meiner Handfläche nach mehr als 24 Jahren noch wiedererwecken lässt …
Glücklicherweise schert sich meine Erinnerung einen Dreck um Wahrscheinlichkeiten und lässt meine kleine, dickliche Hand wieder und wieder über ihren großen, kurzgeschorenen Kinderkopf streichen.
Im Hintergrund grölen gnadenlose Zwergstimmen einen heute harmlos anmutenden Spitznamen: »Igel«.
»Igel-Igel-Igel!«, tönt es aus Kinderkehlen, die so lange am I ziehen, bis ein IHHH draus wird, – wodurch aus dem Igel ein IHHHgel und somit etwas Ekelerregendes wird.
Später hat sie behauptet, ich sei die Einzige gewesen, die sie beim Namen, ihrem richtigen Vornamen, der vielleicht Jasmin, vielleicht Celine, vielleicht Justine lautete, gerufen hat, dass meine Weigerung, es den anderen gleichzutun und ihr einen Tiernamen zu geben, unsere Freundschaft begründet hat.
Ich hingegen halte es für viel wahrscheinlicher, dass mich das pelzige, perserteppichflauschige und dabei doch seltsam störrische Kitzelgefühl, das ihr Haar meiner Handfläche bescherte, geradezu magnetisch angezogen und eine Lust auf mehr in mir ausgelöst hat, mehrmaliges Streichen, mehrmaliges Fühlen, mehrmaliges Genießen, dieser mir bisher unbekannten Oberflächen- und Haarstruktur.
Folglich würde ICH sagen, dass der Grundstein unserer Freundschaft keineswegs meine Enthaltsamkeit in Sachen Hänselei, sondern vielmehr jener Bordstein gewesen ist, der ihr, kurz vor Kindergarteneintritt, den Schädel gespalten hatte.
Ich kenne den Hügel und auch die Stelle genau, an der ebendies geschah und die wir in den darauffolgenden Jahren oft mit roten X-en aus Straßenkreide markierten. Den Unfallhergang, den ich nur aus Erzählungen kenne, und das Bild einer furchtlosen Kamikaze-Jasmin oder Celine oder Justine auf einem klappernden, trotz Stützrädern wenig verkehrssicheren Zweirad, kann ich jederzeit, ohne die geringsten Schwierigkeiten und mit zuverlässiger Kameraschärfe, in mir aufrufen. Das Unfallbild, dessen Existenz ich der erwähnten Weigerung meiner Erinnerung, sich um Wahrscheinlichkeiten zu scheren, verdanke, verteidigt seinen Platz in meinem Bilderspeicher seit unglaublichen 24 Jahren, während andere »live« miterlebte Bilder längst im Trubel der Lebendigkeit verloren gegangen sind.“
Lisa Kränzler (Ravensburg, 25 december 1983)