Stephan Thome

De Duitse schrijver en filosoof Stephan Thome werd geboren op 23 juli 1972 in Biedenkopf, Hessen, als Stephan Schmidt. Thome deed eindexamen gymnasium aan de Lahntalschule in Biedenkopf. Na zijn vervangende dienstplicht in een sociale psychiatrische instelling in Marburg studeerde Thome filosofie, godsdienstwetenschappen en sinologie aan de Vrije Universiteit van Berlijn. Studies voerden hem naar China, Taiwan en Japan. In 2004 studeerde hij af aan de Universiteit van Berlijn met een proefschrift over “Interkulturelle Hermeneutik und die Herausforderung des Fremden” dat een jaar later onder de titel “Die Herausforderung des Fremden: Interkulturelle Hermeneutik und konfuzianisches Denken” werd gepubliceerd onder zijn burgerlijke naam Stephan Schmidt. Hij kreeg hiervoor van de Wissenschaftliche Buchgesellschaft een ​​beurs. Van 2005 tot medio 2011 woonde Thome in Taipei, waar hij werkte aan het Instituut voor Chinese literatuur en filosofie van de Academia Sinica. Hij deed onderzoek naar de Confuciaanse filosofie van de 20ste eeuw en vertaalde het werk “Confucianisme Continuïteit en ontwikkeling” van Chun-Chieh Huang: naar het Duits. In 2009 maakt Thome “Grenzgang” zijn felbegeerde debuut als romanschrijver. De titel van het boek stamt van het gelijknamige festival in Biedenkopf. De Duitse vakpers prees het boek unaniem. De filmrechten van de roman verwierf de WDR, namens wie de roman in het najaar van 2012 werd verfilmd. De film werd in 2014 bekroond met de Grimme-prijs. Zijn tweede fictiewerk, een reisroman onder de titel “Fliehkräfte” verscheen in september 2012. In september 2012 haalde “Fliehkräfte” de shortlist van de Deutsche Buchpreis. In januari 2015 werd zijn roman “Gegenspiel” gepubliceerd.

Uit: Fliehkräfte

“Am späten Nachmittag verwandelt sich die Welt. Flaumig leichte Flocken wirbeln durch die Luft, als wären sie von der Schwerkraft ausgenommen. Lautlos füllen sie den Raum und legen eine weiß-graue Schraffur über den Campus. Seit November hängen dichte Wolken über der Stadt, und wenn die Studenten nach den Seminaren ins Freie traten, legten sie die Köpfe in den Nacken und blickten erwartungsvoll nach oben. Jetzt streicht Schnee über die Fenster der Wilson Library, ohne daran haften zu bleiben. Fahrradfahrer, die von der Brücke kommen, ziehen pulverige Schleier hinter sich her. Vor ihm auf der winzigen Arbeitsfläche liegt Empiricism and the Philosophy of Mind, seit einer halben Stunde auf derselben Seite aufgeschlagen. Gebannt schaut Hartmut nach draußen und versucht, den Weg einer einzelnen Flocke zu verfolgen. Am liebsten würde er das Gesicht gegen die Scheibe drücken und den milchigen Niederschlag seines Atems daraufmalen. Er hat sowieso keine Ahnung, was das sein soll: der Mythos des Gegebenen. Endlich, denkt er. Wochenlang hat die Luft nach Winter gerochen, auch wenn es in Wirklichkeit kein Geruch ist, sondern eine Sehnsucht, die man erst erkennt, wenn sie sich erfüllt. Alle haben ihn gewarnt vor Stromausfällen bei dreißig Grad minus, vor eingeschneiten Häusern und eisglatten Wegen. Jetzt wird die Welt nur still, und er ist glücklich. Das Wort in seinem Kopf überrascht ihn, aber es stimmt. Um ihn herum schauen Kommilitonen von ihren Büchern auf und beginnen, miteinander zu flüstern. Als er um halb sieben die Bibliothek verlässt, ist es draußen stockdunkel. Leer wie nie um diese Zeit streckt sich die Washington Avenue Bridge über den Fluss. Wenn Hartmut nach oben schaut, wird ihm schwindlig. Unter ihm fließt der Mississippi schwarz und beinahe geräuschlos dahin. Ein fremdes Gewässer, das er zwei Mal täglich überquert, manchmal öfter. Auf der östlichen Campusseite steht Ford Hall stoisch an seinem Platz. Benannt nach dem früheren Uni-Präsidenten und ausgestattet mit einem Vorbau aus viereckigen Säulen, trotzt das Bauwerk den dicht fallenden Flocken. Jeden Morgen steigt er hinauf in den dritten Stock, mit demselben flauen Gefühl im Magen wie vor einer Prüfung. Jetzt geht er am Gebäude vorbei durch den bereits knöcheltiefen Schnee auf der Mall. Immer die University Avenue entlang, hat Professor Hurwitz gesagt. Weil der Text partout nicht in seinen Kopf wollte, hat Hartmut ihn schließlich beiseitegelegt und stattdessen die zwei eng beschriebenen Kladden mit Notizen studiert, die er immer in der Tasche trägt. Konzentrieren konnte er sich auch darauf nicht. Kann man einen Ort vermissen, an den man nicht zurückwill? Die Rodelpartien fallen ihm ein, die Straße neben dem Haus hinab. Weil das Geld knapp war, hat sein Vater den Schlitten selbst gebaut. Hat die Kufen im Betrieb zugeschnitten und sie nach Feierabend unter das Holzgestell geschraubt, mit derselben bedächtigen Sorgfalt, mit der er jede Arbeit erledigt. Als Dinkytown hinter ihm liegt, stapft er durch unbekanntes Gebiet.”


Stephan Thome (Biedenkopf, 23 juli 1972)

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