Deutscher Buchpreis 2017 voor Robert Menasse

Deutscher Buchpreis 2017 voor Robert Menasse

De Oostenrijkse schrijver Robert Menasse ontvangt de Duitse Boekprijs 2017 voor de roman “Die Hauptstadt”. Dit werd op maandagavond in Frankfurt door de Börsenverein der Deutschen Buchhandels bij de opening van de Frankfurter Buchmesse bekendgemaakt. In de roman staat een hoge EU-ambtenaar voor de taak om het imago van de Commissie te verbeteren. Het feit dat dit uitstekend in Auschwitz moet gebeuren, is een van de vele curieuze wendingen in deze roman, waarin de Brusselse bureaucratie op de korrel wordt genomen. Robert Menasse werd geboren op 21 juni 1954 in Wenen. Zie ook alle tags voor Robert Menasse op dit blog.

Uit: Die Hauptstadt

„Da läuft ein Schwein! David de Vriend sah es, als er ein Fenster des Wohnzimmers öffnete, um noch ein letztes Mal den Blick über den Platz schweifen zu lassen, bevor er dieseWohnung für immer verließ. Er war kein sentimentaler Mensch. Er hatte sechzig Jahre hier gewohnt, sechzig Jahre lang auf diesen Platz geschaut, und jetzt schloss er damit ab. Das war alles. Das war sein Lieblingssatz – wann immer er etwas erzählen, berichten, bezeugen sollte, sagte er zwei oder drei Sätze und dann: »Das war alles.« Dieser Satz war für ihn die einzig legitime Zusammenfassung von jedem Moment oder Abschnitt seines Lebens. Die Umzugsfirma hatte die paar Habseligkeiten abgeholt, die er an die neue Adresse mitnahm.
Habseligkeiten – ein merkwürdiges Wort, das aber keine Wirkung auf ihn hatte. Dann sind die Männer von der Entrümpelungsfirma gekommen, um alles Übrige wegzuschaffen, nicht nur was nicht niet- und nagelfest war, sondern auch die Nieten und Nägel, sie rissen heraus, zerlegten, transportierten ab, bis die Wohnung »besenrein« war, wie man das nannte. De Vriend hatte sich einen Kaffee gemacht, solange der Herd noch da war und seine Espressomaschine da stand, den Männern zugeschaut, darauf achtend, ihnen nicht imWeg zu stehen, noch lange hatte er die leere Kaffeetasse in der Hand gehalten, sie schließlich in einen Müllsack fallen lassen. Dann waren die Männer fort, die Wohnung leer. Besenrein. Das war alles. Noch ein letzter Blick aus dem Fenster. Es gab da unten nichts, was er nicht kannte, und nun musste er ausziehen, weil eine andere Zeit gekommen war – und jetzt sah er … tatsächlich: Da unten war ein Schwein! Mitten in Brüssel, in Sainte-Catherine. Es musste von der Rue de la Braie gekommen sein, lief den Bauzaun vor dem Haus entlang, de Vriend beugte sich aus dem Fenster und sah, wie das Schwein nun rechts an der Ecke zur Rue du VieuxMarché aux Grains, einigen Passanten ausweichend, beinahe vor ein Taxi lief.
Kai-Uwe Frigge, von der Notbremsung nach vorn geworfen, fiel in den Sitz zurück. Er verzog das Gesicht. Er kamzu spät. Er war genervt.Was war jetzt wieder los? Er war nicht wirklich zu spät, es war nur so, dass er bei einem Treffen immer Wert darauf legte, zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit da zu sein, vor allem an Regentagen, um sich auf der Toilette noch schnell wieder in Ordnung zu bringen, das regennasse Haar, die beschlagene Brille, bevor die Person kam, mit der er verabredet war –„

 
Robert Menasse (Wenen, 21 juni 1954)