Mariana Leky

De Duitse schrijfster Mariana Leky werd geboren op 12 februari 1973 in Keulen. Naast een opleiding voor het boekenvak studeerde Leky vanaf 1993 Duits en empirisch cultuurwetenschappen in Tübingen. Van 1994 tot 1996 bezocht zij het universitaire “Studio Literatur und Theater”. Vanaf 1999 studeerde zij aan de universiteit van Hildesheim creatief schrijven en culturele journalistiek. Terwijl ze nog studeerde, won ze prijzen voor korte verhalen, o.a. bij de Allegra-Wettbewerb en bij de Niedersächsische Literaturwettbewerb Junge Literatur in Neder-Saksen. Zij debuteerde met de verhalenbundel “Liebesperlen” in 2001. In 2004 verscheen haar eerste roman “Erste Hilfe”. In 2010 volgde haar tweede roman Die Herrenausstatterin“.

Uit: Erste Hilfe

»Ich liebe dich«, sagt Sylvester, und er sagt das, als würde ihn jemand dabei fotografieren. Wir sind in der Küche. Ich sitze auf der Spüle, Sylvester hat zerknittertes Geschenkpapier in der Hand. An dem Geschenkpapier hängt ein Kärtchen, »Alles Gute«, steht darauf.
Sylvester und ich sind kein Paar, und ich kann es nicht leiden, wenn Sylvester »Ich liebe dich« sagt. Vor allem, weil ich ihm dann »Ich liebe dich« zurücksagen soll, und zwar möglichst prompt.
Früher habe ich Sylvester gefragt, ob auch »Ich hab dich lieb« gilt, aber Sylvester behauptet, das gelte nicht. Früher habe ich Sylvester erklärt, dass »Ich liebe dich« sich abnutzt, je öfter man es sagt. Die Amerikaner beispielsweise, habe ich erklärt, sagen »Ich liebe dich« so oft, dass »Ich liebe dich« auf amerikanisch nicht mehr bedeutet als »Bis nachher«.
Es klingelt. Sylvester legt das glatt gestrichene Geschenkpapier auf den Kühlschrank, ich rutsche von der Spüle und gehe durch den Flur, in dem kleine Kartons mit Luftlöchern stehen. Sylvester geht mir hinterher, überholt mich und stellt sich vor die Wohnungstür. »Du willst also sagen«, sagt er, »dass du eine bist, die alles, was kostbar ist, verwahrt und aufspart für seltene Sonntagsbesuche.«
Um den Betrieb nicht aufzuhalten, weil es noch mal klingelt und seltene Sonntagsbesuche nach Kondensmilch klingt, sage ich Sylvester »Ich liebe dich« zurück, wie er es mir beigebracht hat, nicht zu laut, nicht zu leise, und Sylvester sagt: »Mit Namen.«
Ich sage: »Du hast auch nicht mit Namen.«
Sylvester sagt: »Natürlich habe ich mit Namen.«
Also sage ich: »Ich liebe dich, Sylvester«, wegen des Betriebes. Sylvester grinst, und ich frage: »Können wir dann jetzt bitte aufmachen?«
»Gern«, sagt Sylvester und öffnet die Tür.
Vor der Tür steht Matilda und sagt: »Guten Tag, es tut mir leid, dass ich so wenig gesagt habe.«
Matilda sagt aber eigentlich nie viel, und wenn, dann sagt sie es sehr leise. Wir haben uns daran gewöhnt und halten unsere Ohren nahe an ihr Gesicht. Nur manchmal sagen wir: »ein bisschen, nur ein bisschen lauter bitte, Matilda.«
»Ihr spinnt ja«, sagt Matilda dann, »ich schreie.« Wir sagen, sie schreie ganz und gar nicht, dann redet sie ein bisschen lauter, wir lehnen uns zwei Sätze lang zurück, bis Matilda wieder leise wird.“

 
Mariana Leky (Keulen, 12 februari 1973)