Wien, Fronleichnam 1939 (Theodor Kramer), Eckhart Nickel, Ralf Thenior

 

 

Sacramentsprocessie in een dorp door Jean-Louis Demarne, ca. 1804

 

Wien, Fronleichnam 1939

Wenige waren es, die Stellung nahmen
unterm Himmel, um zur Stadt zu gehn;
als sie singend ihres Weges kamen,
blieben viele auf den Steigen stehn.

Schütter quoll der Weihrauch und die Reiser
längs der Straße standen schier erlaubt;
klagend sang der kleine Chor sich heiser
und das Volk entblößte still das Haupt.

Manche kannten nur vom Hörensagen
noch den Umgang; doch dem baren Haar
tat es wohl, daß selbst in diesen Tagen
irgendetwas manchen heilig war.

Und indessen sie dem Zug nachstarrten,
salzigen Auges, Mannsvolk, Weib und Kind,
schwenkten aus den Fenstern die Standarten
alle das verbogne Kreuz im Wind.

 

Theodor Kramer (1 januari 1897 – 3 april 1958)
De Parochiekerk van Niederhollabrunn, Oostenrijk, de geboorteplaats van Theodor Kramer

 

De Duitse schrijver en journalist Eckhart Nickel werd geboren op 2 juni 1966 in Frankfurt am Main. Zie ook alle tags voor Eckhart Nickel op dit blog.

Uit: Spitzweg

„Gleichzeitig ließ er aber mit ausgestrecktem Arm nahezu geräuschlos seinen Zeichenblock sehr langsam über das Porträt von Kirsten gleiten, bis dieser es vollends bedeckte. Ich weiß bis heute nicht, warum mich diese seine Bewegung unwillkürlich an den Mondschatten erinnerte, wie er sich bei einer Finsternis vor die Sonne schiebt. Aber ich hielt augenblicklich die Luft an, weil ich befürchtete, mein Ausatmen würde ihn verraten. Obwohl ich dem »Neuen«, wie ihn die meisten nannten, bis zu diesem Zeitpunkt eher skeptisch gegenübergestanden hatte, fühlte ich, wie uns von diesem Moment an so etwas wie eine erzwungene Komplizenschaft verband. Sie wuchs mit jedem Millimeter, den der Zeichenblock, nun mit dem Porträt von Kirsten darunter, wieder in Richtung Carl zurückwanderte, bevor er unmerklich vor ihm zum Halt kam. Carl war anders, er sprach mit niemandem von uns. Der erste und einzige Satz, den ich von ihm außerhalb des Unterrichts gehört hatte, fiel auf dem Hof, kurz vor Ende der großen Pause am Getränkeautomaten. Er war vor mir an der Reihe und hatte nach dem Einwerfen der Münzen ziemlich unentschlossen und gelangweilt auf die Auswahl gesehen, bevor er schließlich die Rückgabetaste gedrückt und das Kleingeld wieder in seine Hosentasche gesteckt hatte. Dabei musste ich ihn wohl etwas zu unverblümt angestarrt haben, jedenfalls schnipste er mit den Fingern in die Luft, als ob er mich wie ein Zauberer aus der Trance zurückrufen würde. Dazu lächelte er mir gequält ins Gesicht und sagte mit einem entschuldigenden Achselzucken: »Ich frequentiere Milch. Und daran fehlt es hier offensichtlich, wie an vielem anderen mehr.« Womit er mehr als recht hatte. »So habe ich es ja gar nicht gemeint!«, murmelte Frau Hügel kopfschüttelnd in die beklemmende Ruhe des Saals, aber eher zu sich selbst. Als ich gerade etwas zu Kirstens Verteidigung sagen wollte, streifte mein Blick Carl, der eine Augenbraue hochgezogen hatte und mir direkt in die Augen sah. Sein Daumen zog vor dem Mund einen imaginären Reißverschluss zu, dann fletschte er für den Bruchteil einer Sekunde seine Zähne und nahm sofort wieder seine übliche Pose ein — eine betont teilnahmslose Ernsthaftigkeit.“

 

Eckhart Nickel (Frankfurt am Main, 2 juni 1966)

 

De Duitse dichter en schrijver Ralf Thenior werd geboren op 4 juni 1945 in Bad Kudowa. Zie ook alle tags voor Ralf Thenior op dit blog.

 

Agenda

Ik geef niet op.
Ik koop tulpen.

Mijn kat is dood.
Ik kan niet meer schrijven.
Mijn tuin, chemisch vervuild.

Geen courgettes, zegt de
provinciale gezondheidsfunctionaris.

De tulpen gaan open.
Ze bloeien op de keukentafel.

Ik heb roze met een witte rand
uitgekozen, frivool hangen ze in de lucht.

Ik verdedig mijn strandstoel.

 

Vertaald door Frans Roumen

 

Ralf Thenior (Bad Kudowa, 4 juni 1945)

 

Zie voor nog meer schrijvers van de 2e juni ook mijn blog van 2 juni 2021 en ook mijn blog van 2 juni 2019 en ook mijn blog van 2 juni 2018 deel 2.

Eckhart Nickel, Ralf Thenior

De Duitse schrijver en journalist Eckhart Nickel werd geboren op 2 juni 1966 in Frankfurt am Main. Zie ook alle tags voor Eckhart Nickel op dit blog.

Uit: Von Unterwegs

Indonesia mon amour
Fernweh beginnt mit Worten. Mit einem Klang, der die Sehnsucht nach Abenteuer bereits in der magischen Abfolge seiner Wohllaute buchstabiert. Krakatoa zum Beispiel, östlich von Java. Ein Vulkan, so mächtig und gewaltig wie sein Name. Oder Sumatra. Eine Insel, in deren üppigem Dschungel man im Nu einen wilden Tiger vor sich wähnt, Nashörner, Orang-Utans und Elefanten. Oder Bali. Diese grün leuchtende Phantasie aus anmutigen Wellen um die Hügel geschwungener Reisplantagen. Was alle diese Orte eint, ist das riesige Land, in dem sie sich befinden: Indonesien. Kein Land im eigentlichen Sinne. Mehr Kollektion von unzähligen Insel-Juwelen, in einer sanften Kurve aufgeschnürt als Perlenkette geographischer Natur, über 17.000 an der Zahl. Mal links, mal rechts des Äquators. Der Traum des Seefahrers: sie alle zu umrunden. Doch es sind nicht nur leuchtend schöne Bilder, die sich abrufbar im Kopf einstellen, auch fremde Düfte steigen in die Nase. Die legendären Inseln der Gewürze. Der Tabak. Kaffee und die Pflanze, für die den Kolonialmächten im fernen Europa kein Weg zu weit war und mit der der Wettlauf um den viel zitierten Platz an der Sonne erst begann, die Pflanzereien ihren Ursprung nahmen: Muskatnuss. Zu finden lediglich bei den Molukken, auf den Banda-Inseln, südöstlich von Sulawesi. Ein englischer Ethnologe, George Windsor Earl, kam im 18. Jahrhundert auf einen Namen für das Land, aus dem Griechischen, Indos und Nesos: Indonesien. Indische Insel. Das, was nach Indien ostwärts, immer der Sonne entgegen, irgendwann aus dem Meer auftaucht. Man kann das heute noch auf jedem Flug nach Südostasien mitverfolgen, von oben aus. Und dann das Wappen: Garuda Pancasila. Der Adler ist aus Gold und diente in der Mythologie Lord Vishnu als Vehikel. Schon an dem Motto, das das Wappentier in seinen Klauen hält, kann man lernen, wie das Leben im globalen Zeitalter nur funktionieren kann. Nur dass man in Indonesien mit dieser Einsicht dank der Natur des Landes der Zeit schon etwas voraus war. Kein Wunder bei über 300 verschiedenen ethnischen Gruppen und 742 Sprachen und Dialekten: Bhinneka Tunggal Ika ist Altjavanesisch und meint: Einheit in der Vielfalt — viele, aber dennoch eins. Das Motto entstammt einem traditionellen Gedicht aus dem 14. Jahrhundert, das zur Toleranz zwischen Hindus und Buddhisten rät, und zeigt die eminente Bedeutung der Kultur in Indonesien. Ein Wahlspruch, der in Abwandlung seit 2000 sogar die Europäische Union ziert: »In Vielfalt geeint.« Die Symbole, die der Adler dazu als Schutzschild auf seiner Brust trägt, legen nicht nur Zeugnis von den Bodenschätzen des Landes ab, sondern sind programmatisch zu verstehen: Der Stern in der Mitte bedeutet Glaube an Gott, in allen Religionen.”

 

Eckhart Nickel (Frankfurt am Main, 2 juni 1966)

 

De Duitse dichter en schrijver Ralf Thenior werd geboren op 4 juni 1945 in Bad Kudowa. Zie ook alle tags voor Ralf Thenior op dit blog.

 

Waarheen je ook vliegt, kleine ziel

Een van die gele middagen,
die verboemelden,
waarop het werk blijft liggen
en het hart in de woning
op trektocht gaat.
Twee onzichtbare gitaren
spelen een samba
in het vale licht
van de koele junimiddag.

Op het balkon hiernaast
hangt een winterjas
bontvoering naar buiten,
om aan de lijn te luchten.
Hij groet elke keer
als je het balkon oploopt
om de zacht wiegende populierentakken
in de achtertuin
te bekijken

 

Vertaald door Frans Roumen

 

Ralf Thenior (Bad Kudowa, 4 juni 1945)

 

Zie voor nog meer schrijvers van de 2e juni ook mijn blog van 2 juni 2021 en ook mijn blog van 2 juni 2019 en ook mijn blog van 2 juni 2018 deel 2.

Eckhart Nickel

De Duitse schrijver en journalist Eckhart Henrik Nickel werd geboren op 2 juni 1966 in Frankfurt am Main. Na zijn studie kunstgeschiedenis en literatuur in Heidelberg en New York werkte Nickel onder meer bij het Zeitgeist-tijdschrift Tempo, bij ARTE in Straatsburg en het tijdschrift Architectural Digest. Zijn teksten verschijnen onder meer in de weekendedities van de SZ en FAZ. Van herfst 2004 tot het laatste nummer in de zomer van 2006 leidde Eckhart Nickel als hoofdredacteur het literaire tijdschrift “Der Freund” samen met redacteur Christian Kracht uit Kathmandu. Van januari tot en met oktober 2007 was hij verantwoordelijk voor de stijlreportage in de zaterdagbijlage SZ Weekend van de SZ. Oorspronkelijk geclassificeerd als popliteratuur, gaan Nickels werken vooral over het lot van moderne mensen in opstand. Nickels werken omvatten het onderzoeken van het weer in al zijn vormen, evenals de nauwkeurige uitwerking van tekstsimulaties, d.w.z. teksten die alleen maar pretenderen met zichzelf om te gaan (zie ook de langere verhalen “Scheinanfahrt” en “N.O.M.E.N”. (Niet zonder mijn eigen naam). In zijn recentere werken (waaronder de eerste, nog niet eerder gepubliceerde roman “Die Wespe”) slaat de auteur een serieuzere toon aan, die overgaat in rebelse poëzie waarin moraliteit wordt geëist”, aldus het Goethe-Instituut in een profiel. De auteur woont in Frankfurt am Main. Nickel werd in 2017 uitgenodigd voor de Ingeborg Bachmann Competitie, waar hij de Kelag-prijs, voorheen Preis des Landes Kärnten en de Juryprijs, ontving voor het begin van zijn roman “Hysteria”, die in het najaar van 2018 werd gepubliceerd. Een jaar later kwam de voltooide roman op de longlist voor de Deutsche Buchpreis. In 2019 ontving Nickel de Friedrich Hölderlin-prijs van de stad Bad Homburg.

Uit: Hysteria

„Mit den Himbeeren stimmte etwas nicht. Die kleinen geflochtenen Holzschalen, die Bergheim auf dem Markt immer hochhob, um zu sehen, ob sich das weiße Vlies am Boden schon von zerfallenden Früchten rötlich verfärbte, waren übervoll mit zu dunklen Beeren. Während der natürliche Prozess ihrer Auflösung sich in der Regel als Schimmel zeigte, der über die zum Platzen mürben Fruchtgefäße hinauswuchs, handelte es sich hier um einen zutiefst beunruhigenden Farbwechsel. Die Farbe, an die sich Bergheim bei Bio-Himbeeren seit vielen Jahren gewöhnt hatte, war ein blasses, bläuliches Rot, das bei Lichteinfall fast durchscheinend wirkte. Diese aber waren anders, sie leuchteten in schwärzlichem Purpur, was den Früchten etwas entschieden Jenseitiges gab.Bei seiner Inspektion der Schalen stellte Bergheim fest, dass selbst die Papiertücher unter den Beeren schon tiefdunkelrot waren und sich erste Tropfen wie frisch ausgetretenes Blut am hellen Holz der Schale sammelten. Der Name der Kooperative, Sommerfrische, war in Fraktur mit einem Retrostempel aufgedruckt. Seit kurzer Zeit tauchten überall Typografien auf, die an das früher als reaktionär geltende Sütterlin erinnerten. Mit dem altertümlichen Schriftzug wollte man sich bewusst zu einer Tradition bekennen, die noch Bezug zur Herkunft hatte und das eigene Land als Produktionsort ausländischen Importen vorzog. Bergheim konnte die Adresse nur mit Mühe entziffern. Automatisch sortierte er die achtlos übereinandergestapelten Schalen und rückte sie zurecht, sodass ihre Ränder eine gerade Linie ergaben und genügend Raum zwischen ihnen entstand, um die Früchte nicht noch weiter zu zerdrücken.Er nickte, während er sich das Ergebnis prüfend besah, und musste wegen der Farbe unwillkürlich an Samtvorhänge denken, wie sie vor die Fenster von Leichenwagen gezogen wurden. Der kitzelnde Flaum, der sich beim Zerdrücken der Frucht im Mund wie ein Pelz auf die Zunge legte, widerte ihn auf einmal an. Dazu kamen die weißen Poren im Inneren der Himbeere, die schon von Natur aus an bedenklichen Pilzbefall erinnerten, obwohl sie nur die Punkte bezeichneten, an denen sie mit der Pflanze verbunden waren.
Die Härchen, die wild zwischen einzelnen Waben herausragten, schienen sich noch dazu zu bewegen, und über den zellenartigen Fruchtbällen formte sich gräulicher Schimmer, der sie fast staubig aussehen ließ, wie ein dünnhäutiger Bovist.“

 

Eckhart Nickel (Frankfurt am Main, 2 juni 1966)

Eckhart Nickel, Ralf Thenior

De Duitse schrijver en journalist Eckhart Nickel werd geboren op 2 juni 1966 in Frankfurt am Main. Zie ook alle tags voor Eckhart Nickel op dit blog.

Uit: Hysteria

„Mit den Himbeeren stimmte etwas nicht. Die kleinen geflochtenen Holzschalen, die Bergheim auf dem Markt immer hochhob, um zu sehen, ob sich das weiße Vlies am Boden schon von zerfallenden Früchten rötlich verfärbte, waren übervoll mit zu dunklen Beeren. Während der natürliche Prozess ihrer Auflösung sich in der Regel als Schimmel zeigte, der über die zum Platzen mürben Fruchtgefäße hinauswuchs, handelte es sich hier um einen zutiefst beunruhigenden Farbwechsel. Die Farbe, an die sich Bergheim bei Bio-Himbeeren seit vielen Jahren gewöhnt hatte, war ein blasses, bläuliches Rot, das bei Lichteinfall fast durchscheinend wirkte. Diese aber waren anders, sie leuchteten in schwärzlichem Purpur, was den Früchten etwas entschieden Jenseitiges gab.
Bei seiner Inspektion der Schalen stellte Bergheim fest, dass selbst die Papiertücher unter den Beeren schon tiefdunkelrot waren und sich erste Tropfen wie frisch ausgetretenes Blut am hellen Holz der Schale sammelten. Der Name der Kooperative, Sommerfrische, war in Fraktur mit einem Retrostempel aufgedruckt. Seit kurzer Zeit tauchten überall Typografien auf, die an das früher als reaktionär geltende Sütterlin erinnerten. Mit dem altertümlichen Schriftzug wollte man sich bewusst zu einer Tradition bekennen, die noch Bezug zur Herkunft hatte und das eigene Land als Produktionsort ausländischen Importen vorzog. Bergheim konnte die Adresse nur mit Mühe entziffern. Automatisch sortierte er die achtlos übereinandergestapelten Schalen und rückte sie zurecht, sodass ihre Ränder eine gerade Linie ergaben und genügend Raum zwischen ihnen entstand, um die Früchte nicht noch weiter zu zerdrücken.
Er nickte, während er sich das Ergebnis prüfend besah, und musste wegen der Farbe unwillkürlich an Samtvorhänge denken, wie sie vor die Fenster von Leichenwagen gezogen wurden. Der kitzelnde Flaum, der sich beim Zerdrücken der Frucht im Mund wie ein Pelz auf die Zunge legte, widerte ihn auf einmal an. Dazu kamen die weißen Poren im Inneren der Himbeere, die schon von Natur aus an bedenklichen Pilzbefall erinnerten, obwohl sie nur die Punkte bezeichneten, an denen sie mit der Pflanze verbunden waren.

Die Härchen, die wild zwischen einzelnen Waben herausragten, schienen sich noch dazu zu bewegen, und über den zellenartigen Fruchtbällen formte sich gräulicher Schimmer, der sie fast staubig aussehen ließ, wie ein dünnhäutiger Bovist. Die Fruchtzellen, die ihm bislang als Schlüsselreiz dienten, um seinen Mund wässrig zu machen, flößten ihm auf einmal Furcht ein. Er sah grässliche Spinnenköpfe aus den Himbeeren herausspähen, das Wachstum des Fruchtfleisches, zuvor Beweis für die wunderbare Vermehrung der Natur, erschien ihm nun als gefährliches Wuchern, bösartige Fruchtzellen, die sich unentwegt teilten und der Welt feindlich entgegenwuchsen, um sie zu beherrschen und am Ende zu vernichten. Bergheim sah sich ungläubig um: Merkten all die anderen Marktbesucher denn nicht, was hier gerade geschah?“

 

Eckhart Nickel (Frankfurt am Main, 2 juni 1966)

 

De Duitse dichter en schrijver Ralf Thenior werd geboren op 4 juni 1945 in Bad Kudowa. Zie ook alle tags voor Ralf Thenior op dit blog.

 

Het licht van de grote U
Voor Michael Steffens

De jonge dichter zit op het zolderappartement op de vierde verdieping van de Johanna-Melzer-Straße en plukt aan zijn haar. Het is al ver na middernacht en hij moet nog zijn tekst schrijven voor de schoollezing van morgen aan het gymnasium. Hij zal met een verhaal over zijn eigen schoolervaringen komen. Hij zal er uiteindelijk een modderfiguur slaan maar goed, hij zal ze in ieder geval de kneepjes van het vak hebben laten zien. Zo stelt hij het zich voor. Nu hoeft hij alleen nog maar het verhaal te schrijven. Maar keer op keer is zijn blik gericht op de grote, verlichte U op de in onbruik geraakte, langzaam rottende gebouwen van de Union-brouwerij. Vanuit zijn raam ziet hij de U in een rechte lijn van een kilometer boven de daken zweven. De grote U, een prachtig visioen. Voor hem is het een icoon, een lettermeditatie, een enorme, volle bierpul aan de nachtelijke hemel. – Wanneer, denkt hij bezorgd, dooft zijn licht?

 

Vertaald door Frans Roumen

 

Ralf Thenior (Bad Kudowa, 4 juni 1945)

 

Zie voor nog meer schrijvers van de 2e juni ook mijn blog van 2 juni 2021 en ook mijn blog van 2 juni 2019 en ook mijn blog van 2 juni 2018 deel 2.

Eckhart Nickel

De Duitse schrijver en journalist Eckhart Nickel werd geboren op 2 juni 1966 in Frankfurt am Main. Na zijn studie kunstgeschiedenis en literatuur in Heidelberg en New York City werkte hij bij verschillende media, waaronder het Duitse lifestyle-tijdschrift Tempo, Arte Television in Straatsburg en Architectural Digest. Zijn werk werd gepubliceerd in de weekendedities van de Süddeutsche Zeitung en Frankfurter Allgemeine Zeitung. Hij was ook hoofdredacteur van het veelgeprezen literaire tijdschrift Der Freund, een samenwerking met de Zwitserse schrijver Christian Kracht (de uitgever van het tijdschrift), dat werd opgericht in Kathmandu en werd gepubliceerd van september 2004 tot juni 2006. Van januari tot oktober 2007 was hij verantwoordelijk voor het schrijven over lifestyle voor de zaterdagbijlage van de Süddeutsche Zeitung. Hij woont in Sonoma County, Californië. Aan het begin van zijn carrière werd Nickel ingedeeld bij de Duitse “popliteratuur”, Zijn werk gaat vooral over het lot van de moderne mens die in opstand komt. In 2019 ontving Nickel de Friedrich-Hölderlin-Förderpreis van de stad Bad Homburg. In 2021 bracht Nickel “Von unterwegs” uit, een bundel reisverhalen en reportages, waarvan sommige teksten eerder in dagbladen en tijdschriften verschenen. De roman “Spitzweg” volgde in 2022.

Uit: Spitzweg

„Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht. Die meisten Bilder, die ich zu Gesicht bekam, fand ich entweder unansehnlich oder nichtssagend. Bisweilen auch beides zugleich. Wie kamen Künstler nur auf die Idee, die Welt habe sich dafür zu interessieren, was sie zu Papier bringen? Gemälde an sich. wozu sind sie gut? Bevor ich eine Landschaft an die Wand hänge, blicke ich doch lieber durch ein Fenster auf sie hin-aus. Und wenn mir danach sein sollte, einen Menschen zu sehen, bringe ich genau dort einen Spiegel an. Kunst versucht oft, beides zu sein, Fenster wie Spiegel, und kann doch weder das eine noch das andere ersetzen. Gerade, wenn sie versucht, das Leben wirklichkeitsgetreu abzubilden. zeigt sich das Ausmaß ihres Scheiterns besonders deutlich. Das hat mir eine unerhörte Begebenheit in der Schule vor Augen geführt, und es brauchte die Überzeugungskraft einer einzig und allein aus der Kunst abgeleiteten Existenz, um mich vom Gegenteil zu überzeugen: dem Wunder der Kunst. eine Vision der Wahrheit in ästhetischer Form anschaulich verdichten zu können. So gesehen kann ich den Umstand, dass Carl erst kurz vor dem Tag, da die Geschichte sich ereignete, bei uns aufgetaucht war, kaum als Zufall deuten. Die Kunstlehrerin gab uns ein Selbstporträt als Aufgabe, und wie stets stellte die Mehrheit, mich eingeschlossen, wie-der einmal nur stümperhaft ihre Unfähigkeit unter Beweis.
Während also alle verzweifelt über den Zeichenblock gebeugt versuchten, wenigstens die Umrisse ihrer Gesichter halbwegs ordentlich hinzubekommen, schlich Frau Hügel, wie wir es gewohnt waren. mit hinter dem Rücken verschränkten Händen von Tisch zu Tisch. Ihr strenges schwarzes Kostüm. tun dem sie nur selten abwich, bestand aus einem feinmaschigen Rollkragenpullover zum Faltenrock. Die ölig dunklen Haare waren zur Seite weg gebunden, aber immer fiel eine glänzende Strähne nach vorne, wenn sie sich über die Schulter eines Schülers beugte, um sein Werk genauer zu begutachten. So auch bei Kirsten, dem einzigen Talent unter uns. Sie musterte betont genau die bereits nahezu vollendete Zeichnung. räusperte sich dann gedehnt und sprach schließlich mit tonloser Stimme ihr Urteil: -Ausgesprochen gelungen, Respekt: Mut zur Hässlichkeit!-Kirsten schluckte in die unmittelbar eingetretene Stille hinein. Nach einer ins Unerträgliche gedehnten Pause, in der alle wie gelähmt auf sie starrten, stand sie auf und rannte mit vor die Augen geschlagenen Händen nach hinten aus dem Kunstraum in das steinerne Treppenhaus. Und obwohl Kirsten ihre zerbrechlich hoch kieksende Stimme nicht erhoben hatte, höre ich den stummen Schrei bis heute, wie er sich über das immer weiter entfernt hallende Klicken ihrer Schuhe im Flur legte. Frau Hügel starrte wie alle anderen völlig gebannt der verschwundenen Kirsten hinterher. Weil ich als Einziger direkt in der Reihe vor ihr saß, bekam niemand sonst das Unglaubliche mit, was währenddessen geschah: Carl, der in Kunst seinen Platz neben Kirsten hatte, blickte zwar genau wie die anderen Schüler Richtung Tür.“

 

Eckhart Nickel (Frankfurt am Main, 2 juni 1966)