De Nederlandse schrijver Mano Bouzamour werd geboren op 19 maart 1991 in Amsterdam. Zie ook alle tags voor Mano Bouzamour op dit blog.
Uit: Samir, genannt Sam (De belofte van Pisa, vertaald door Bettina Bach)
»Nee? Echt jetz?« Er sah meinen Bruder an: »Soll ich denen mal Bescheid stoßen? Willste das? Ich geh da gleich mal rein, mir doch egal, das macht mich noch ganz meschugge!« Soussi klappte die Sitzbank seines Rollers hoch, steckte den Kopf halb ins Staufach und wühlte darin herum. Mein Bruder fragte: »Was hast du vor? Dem Direktor ins Bein schießen?« »Wenns sein muss.« »Ach, hör doch auf.« »Es sind doch alles nur miese Faschos. Wäre ich bloß mitgekommen, aber nee: >Wart mal kurz<, war die Ansage. Ihr schämt euch wohl für mich!« »Sam hat einen Platz bekommen.« Soussi schaute auf. »Echt?« Ich nickte eifrig. »Wusst ichs doch! Ich hab euch gleich durchschaut. Komm mal her, Kleiner.« Er umarmte mich und sagte: »Das muss gefeiert werden, gehn wir Eis essen?« Soussi schielte schelmisch auf eine Gruppe fröhlich hüpfender Sommerkleider, wahrscheinlich Abiturientinnen, angesichts der Tatsache, dass sie über alle weiblichen Attribute verfügten. »Kannste gleich mal mit dem Eis üben, hier an der Schule wirste die nächsten Jahre garantiert ne Menge lecken, das sag ich dir.« »Bäh«, sagte ich. »Der muss die nächsten Jahre einen Keuschheitsgürtel tragen. Dann kann er sich auf die Schule konzentrieren, stimmt’s, Sam?« Soussi ignorierte meinen Bruder und schaute mich an: »Bäh? Magst du kein Eis?« Jetzt erst wandte er sich an meinen Bruder: »Dir sollte man sonen Keuschheitsgürtel oder was umschnallen. Möchte ja gern wissen, wann dein Schwanz mal schlappmacht.« »Dafür sollte man dich lebenslang in eine Zwangsjacke stecken, Soussi. In die Geschlossene gehörst du, aber echt. Du wolltest dich gerade an einer unschuldigen Lehrerin vergreifen.« »Keiner ist unschuldig. Lehrer schon gar nicht. Wozu wären sie sonst Lehrer? Für Sam ist son Keuschheitsgürtel trotzdem ne geile Idee.« »Mann, du bist so versaut«, sagte mein Bruder. »Selber.« »Kein Wunder, dass du immer nur deine rechte Hand vögelst.« »Du kennst mich schon dein ganzes mickriges Leben, du Penner, ich wichse mit links. Aber jetz mal Klartext, wo geht’s hin? Pisa oder Venezia?« »Sam darf es sich aussuchen, heute ist sein Tag.« »Fahr bei mir mit, kleiner Tiger«, sagte Soussi, »erzähl ich dir ne krasse Geschichte von deiner zukünftigen Schule.« Ich stieg hinten auf und sagte: »Bei Venezia schmeckt es ekelhaft. Ich will zu Pisa.«
Während wir über den Stadionweg fuhren, drehte sich Soussi immer wieder zur Seite und erzählte mir, im Zweiten Weltkrieg sei der Direktor des Hervormd Lyceum Zuid ein mieser Landesverräter gewesen, ein Faschist. Und dass ich aufpassen sollte, vielleicht wäre der jetzige Direktor ja sein Enkel. »Weißte, was du machst? Du findest raus, ob ers is, und wenn ja, dann fackeln wir sein Auto ab. Mit ihm drin, logo.« Soussi war der Geschichtsexperte schlechthin und total fasziniert vom Zweiten Weltkrieg. Er arbeitete schon seit Jahren für einen bekannten Händler auf dem Albert-Cuyp-Markt. Sein Chef, Benjamin der Jude, erzählte ihm bei der Arbeit faszinierende Geschichten über den Holocaust.“
Mano Bouzamour (Amsterdam, 19 maart 1991)