De Zwitserse schrijver Emil Zopfi werd geboren op 4 januari 1943 in Wald. Zie ook alle tags voor Emil Zopfi op dit blog.
Uit: Schrot und Eis
“5. September 1839. Einen Streich auf den Mund
Jahrzehnte fliegen dahin. Johannes Hegetschweiler ist Politiker geworden, wider seine Natur und seine Neigung, Regierungsrat und Staatsrat des Kantons Zürich. Ein friedliebener Mensch im Streit der Zeit.
Es ist Donnerstag, der 5. September 1839. Nach regnerischen Tagen klart der Himmel auf gegen Abend. Die Nacht bricht an, eine Nacht der Entscheidung. Amtsbürgermeister Johann Jakob Hess hat die Regierung des Kantons Zürich zum Kriegsrat gerufen. Es mag gegen elf Uhr gehen, als Johannes Hegetschweiler an Schipfe der Limmat entlangeilt, den Hut tief in der Stirn. Beim Roten Turm am Weinplatz biegt er in die Storchengasse, hört Stimmenlärm im Café Litteraire, einem Treffpunkt der Radikalen. Sonst ist alles ruhig, da und dort flackert ein Öllicht hinter Vorhängen. Nichts deutet auf einen Bürgerkrieg hin, den Bruderkrieg zwischen Stadt und Land, den alle fürchten. Sein Stock klöppelt übers Pflaster, er überquert den Münsterhof zum Postgebäude, wo sich die Regierung versammelt. Man hält die Sitzungen in der neuen Post in der Kleinen Stadt ab, die eidgenössische Tagsatzung belegt das Rathaus auf dem rechten Limmatufer. Zürich ist in diesem Jahr Vorort der Eidgenossenschaft, die Zürcher Regierung eine Art Landesregierung, eine Landesregierung ohne eigene Truppen, ohne Staatskasse, ohne Macht. Die Staatskanzlei eine Truhe voller Akten, die man von Stadt zu Stadt schleppt, wenn der Vorort wechselt. Papierberge, nichts weiter. Die Schweiz ein Land ohne Zentrum, ein loser Bund von Kantonen, zerbrechlich und zerstritten. Alle kämpfen gegen alle, um Vorrechte, um Besitzstand, um Ämter und Pfründe und um die Macht schlechthin. Die Fronten trennen Stadt und Land, Katholisch und Reformiert, Konservativ und Liberal, Welsch und Deutsch. Eine chaotische Hinterlassenschaft von Napoleons Weltordnung, die längst untergegangen ist.
Ein Weibel öffnet die Pforte, Hegetschweiler tritt ins Sitzungszimmer. Heinrich Weiss, der härteste Radikale im Rat, Oberst im Militär, hält den Vorsitz des Kriegsrats. Hegetschweiler setzt sich lautlos, stellt sogleich fest, dass mehrere der 19 Ratskollegen fehlen. Weiss wendet sein rundes Bauerngesicht Hegetschweiler zu, stockt einen Augenblick in seiner Rede, kratzt sich im zerzausten Kraushaar, fährt dann weiter. Ein Bote sei vor kurzer Zeit eingetroffen, habe berichtet, ein Gewalthaufe nähere sich von Dübendorf her der Stadt, bewaffnet mit Stöcken, Mistgabeln, Dreschflegeln, eine Hundertschaft mit Stutzern und Jagdflinten an der Spitze.”
Emil Zopfi (Wald, 4 januari 1943)
Lees verder “Emil Zopfi, David Berman, Gao Xingjian, Fernand Handtpoorter, Doris Kearns Goodwin”